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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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so gut kannte. An der Kirche vorbei und wieder aus dem Dorf hinaus, bis sie die Kurve und den Zaun erreichten, von dem aus der Fußweg zu Osmans Bootshaus führte – der Stelle, an der sein Leben als freier Mann geendet hatte.
    »In Ordnung, halt hier an«, sagte David. »Unter den Bäumen kannst du parken. Wenn du die Lichter ausmachst, kann dich von der Straße aus niemand sehen.«
    »Außer jemand sucht«, sagte Eddie. »Aber gut. Ich warte eine halbe Stunde, wie verabredet. Bis fünf nach eins. Wenn niemand kommt. Solltest du länger brauchen, musst du sehen, wo du bleibst, denn dann bin ich weg.«
    »Einverstanden«, sagte David. »Aber dann brauche ich das hier auch.«
    Er griff in das Handschuhfach, öffnete die Tüte und und nahm sich ein Bündel Geldscheine heraus. Eddie trotzig ansehend, stopfte er sich das Geld in die Hosentasche.
    »Für alle Fälle«, sagte er. »Also bis gleich.«
    Als freier Mann sollte er Eddie allerdings nicht wiedersehen.
     
    David war dankbar für das Mondlicht, auch wenn nicht wirklich die Gefahr bestand, dass er sich verlief. Den Weg zum Bootshaus war er oft gegangen. Zum Bootshaus wohlgemerkt, nicht zum Haus, dachte er missmutig, abgesehen von dem einen Mal, als Katya das Haus ganz für sich allein gehabt hatte, und selbst da war sie nervös wie eine Katze gewesen. Ihr Onkel war nämlich der Ansicht, er sei nicht gut genug für sie, weil er nicht studiert hatte und einen Allerweltsnamen trug. Anders als dieser verdammte Ethan. Der war von seiner Geburt her viel passender für das Anwesen, bis er das Messer in den Rücken bekam. Genau hier. David stand vor dem Bootshaus, sah hinunter ans Ufer, wo Ethans Leiche gelegen hatte, und ließ dann den Blick über den See streifen, auf dessen schwarze Oberfläche der Mond silbrig-gekräuselte Linien zeichnete. Alles war ruhig. Kein Wind in den Bäumen, nur das Geräusch des Wassers, das gemächlich gegen das Ufer schwappte. Ein gefährlicher Ort, dachte David. Schön, aber gefährlich. Genau wie Katya.
    David schloss die Finger um seine Waffe, wandte sich vom See ab und betrat das Waldstück. Er bewegte sich vorsichtig vorwärts, dennoch gelangte er schon kurz darauf wieder ins Freie und hielt inne, um über den Hof auf die Seite des Hauses zu spähen. In den ihm zugewandten Fenstern brannte kein Licht, und kein einziges Geräusch war zu hören. Der Brunnen mit den Meerjungfrauen musste die Nacht über abgestellt worden sein. Dies war die beste Stelle, um den Hof zu überqueren, aber David zögerte trotzdem: Es war gefährlich, die Deckung zu verlassen – wer konnte wissen, ob ihn nicht doch jemand aus dem Schatten beobachtete. Aber etwas anderes blieb ihm nicht übrig. Dafür war er schon zu weit gekommen. Also gab er sich einen Ruck, ließ die schützendenBäume hinter sich und rannte über den mondbeschienenen Rasen. Er schaffte es auf die andere Seite, doch vor lauter Hektik hatte er die Rosensträucher unter den Fenstern vergessen. Die Dornen bohrten sich durch seine Gefängniskleidung, und er musste die Zähne fest zusammenbeißen, um nicht aufzuschreien, während er sich wieder befreite.
    Er war jetzt direkt vor Osmans Arbeitszimmer. Vergeblich versuchte er, das Fenster hochzuschieben. Bis er entdeckte, dass in der Mitte der Haken eingehängt war. Wenn er nur durch die Scheibe hineingreifen könnte, würde er es öffnen können. Ein Schlag würde genügen. Und wenn oben wirklich alle schliefen und die Türe zu war, dann würde das niemand hören. Er musste es darauf ankommen lassen. Beim ersten Schlag, den er der Scheibe mit dem Griff des Revolvers versetzte, entstand nur ein Sprung, doch beim zweiten Mal zerbrach das Glas. David stand reglos in der Dunkelheit, wartete auf Lichter, wartete auf Rufe, aber nichts passierte. Irgendwo in den Bäumen schrie ein Käuzchen, doch davon abgesehen war es so still wie zuvor. Mucksmäuschenstill. Schnell schlug er die restlichen Splitter aus dem Rahmen, wickelte dann den Ärmel seines zerrissenen Hemds um die Hand und streckte sie durch die Öffnung. Nachdem er die Verriegelung gelöst hatte, schob er die untere Hälfte des Fensters langsam nach oben.
    Vorsichtig kletterte er hinein, streckte dann seine Arme weit nach vorne und bewegte sich behutsam vorwärts. Katya hatte ihm das Arbeitszimmer gezeigt, damals, bei ihrem Rundgang durchs Haus, als ihr Onkel weg war, und er konnte sich an eine Leselampe auf dem Schreibtisch erinnern. Ein paar Sekunden später spürte er ihren Schirm und

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