Der König der Diamanten
innehalten.
»Warten Sie! Wir haben noch nicht entschieden,
wo
wir mit ihnen sprechen wollen. Wo ist viel wichtiger als in welcher Reihenfolge.«
»Wollen Sie nicht dort mit ihnen reden, wo sie jetzt sind?«, fragte Clayton verwirrt.
»Mit Osman? Nein. Überall, nur nicht da. Das ist sein Ich-bin-hier-der-Chef-Zimmer.«
»Sein was?«
»Seine Arena, in der er seine Promi-Gäste bei Laune hält und sich wie die Made im Speck fühlt. Nein. Wir müssen ihn irgendwie in Bedrängnis bringen, ihn irgendwie in Nachteil versetzen, wenn wir mit ihm reden.«
Trave strich sich nachdenklich übers Kinn, Clayton hingegen schwieg. Nichts von dem, was hier geschah, ergab für ihn irgendeinen Sinn. Nach allem, was er gelernt hatte, sollte man dafür sorgen, dass ein Zeuge sich wohlfühlt, damit man so viel wie möglich aus ihm herausbekam – nicht ihn ins Kreuzverhör nehmen. Außer natürlich, es handelte sich um einen Verdächtigen, aber das war Titus Osman ja nicht. Im Grunde war er doch ein Opfer. Man hatte diesem armen Kerl soeben die Nichte ermordet. Aber Clayton hütete sich, die Methoden seines Chefs in Frage zu stellen. Trave war bei der Oxford-Polizei immerhin derjenige mit den besten Resultaten.
»Wie wäre es mit Osmans Arbeitszimmer?«, fragte Trave und blickte auf. »Oder ist dort noch die Spurensicherung zugange?«
»Ja. Ich habe ihnen gesagt, sie sollen unten anfangen, damit Sie und der Arzt gleich die Leiche sehen können. Ich hoffe, das war richtig so?«
»Ja, ja, kein Problem«, sagte Trave nachdenklich. »Aber sagen Sie ihnen, sie sollen dort abschließen, bevor sie woanders weitermachen. Claes und seine Schwester befragen wir im Salon. Mit Osman gehen wir dann ins Arbeitszimmer, sobald die Spurensicherung fertig ist. Kann sein, dass wir ein bisschen warten müssen, aber das macht nichts.«
Franz Claes saß kerzengerade auf der Kante des Sofas und sah Trave und Clayton an, die Seite an Seite auf einem identischen Sofa gegenüber saßen. Zwischen ihnen befand sich der Kamin. Claes war eher klein, kaum größer als eins sechzig, und er saß so weit nach vorne gebeugt, dass seine Füße den Boden berühren konnten, wobei Clayton eigentlich den Eindruck hatte, Claes würde einen Holzstuhl mit gerader Lehne der Bequemlichkeit dieses Sofas vorziehen.
»Wann haben Sie sich angekleidet, Mr. Claes?«, fragte Trave.
»Nachdem ich die Polizei angerufen und sichergestellt hatte, dass Swain sich nicht mehr im Haus befindet.«
Das war eine ziemlich seltsame erste Frage, dachte Clayton, doch Claes schien davon gar nicht überrascht zu sein. Er wirkte hellwach, vorbereitet auf alles. Und um ehrlich zu sein war Clayton ebenso überrascht gewesen, als Claes fast schon förmlich gekleidet die Tür geöffnet hatte, so, wie er jetzt war, mit Jackett, weißem, gebügelten Hemd und ebensolcher Hose, die Frisur tipptopp in Form. Es schien, als sei er sogar frisch rasiert. Seine Wangen waren völlig glatt und ohne Stoppeln, obwohl es mitten in der Nacht war.
»Und Sie waren es, der Mr. Swain als Erster gesehen hat?«, fuhr Trave fort.
»Ja, ich habe ihn gehört, als er an meinem Schlafzimmer vorbeiging. Die Tür war leicht geöffnet.«
»Das ist im ersten Stock, wenn ich mich recht entsinne«, sagte Trave.
»Ja, am Ende des Ganges, auf der entgegengesetzten Seite von Mr. Osman.«
»Warum nennen Sie ihn Mr. Osman? Er ist doch Ihr Schwager, oder nicht?«
»Na dann Titus«, sagte Claes und nickte, als hätte er in einem gerade beginnenden Spiel einen unwichtigen Punkt eingebüßt. »Wie gesagt, ich habe ein Geräusch gehört. Es war dunkel bei mir,aber ich war noch nicht eingeschlafen. Deshalb stand ich auf und ging hinaus.«
»Mit was bekleidet?«
»Dem Schlafanzug. Ich nahm meine Waffe mit.«
»Und wo war die? Haben Sie sie beim Schlafen unter dem Kopfkissen, Mr. Claes?«
»Sie war in der oberen Schublade meines Schreibtisches«, sagte Claes, offenbar völlig unbeeindruckt von der doch eher scharfen Befragung. Er sprach ein ziemlich gutes Englisch, dachte Clayton. Zwar langsam und mit Akzent, aber dennoch fließend.
»Ist das die Waffe?«, fragte Trave und hob einen Smith & Wesson-Revolver in einer durchsichtigen Plastiktüte hoch.
»Ja.«
»Und Sie haben auch den dazugehörigen Waffenschein, nicht wahr?«
»Das wissen Sie doch, Inspector. Es ist die gleiche Waffe wie vor zwei Jahren. Wir haben das doch schon ein andermal durchgekaut«, sagte Claes mit dem Anflug eines Lächelns. Kein sonderlich anziehendes
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