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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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Lächeln, dachte Clayton. Das lag zum Teil daran, dass die angespannten Gesichtsmuskeln die hässliche Narbe, die sich über Claes’ linke Gesichtshälfte zog, deutlicher hervortreten ließen. Doch auch seine Augen waren kalt – grau, lauernd und irgendwie abgelöst vom Rest.
    Trave hatte für einen Moment geschwiegen, doch jetzt schürzte er die Lippen, als hätte er einen Entschluss gefasst.
    »In Ordnung, Mr. Claes. Erzählen Sie uns jetzt einfach, was passiert ist. Ich gebe mir Mühe und unterbreche Sie nicht mehr.«
    »Danke«, sagte Claes mit einem Nicken. »Als ich mein Zimmer verlassen hatte, hörte ich im oberen Stockwerk jemanden gehen, also stieg ich die Treppen hinauf und sah um die Ecke. Eine brennende Kerze stand auf dem Boden vor Katyas Zimmer. Dieses befindet sich linkerhand, etwa in der Mitte des Ganges. Ihre Türe war halb geöffnet, und innen war das Licht an. Dann hörte ich einenSchuss. Gleich darauf kam ein Mann heraus. Ich konnte sehen, dass es Swain war. Ich erkannte ihn wieder, denn ich hatte ihn ja schon unten am See aufgehalten und dann natürlich vor Gericht gesehen. Er stand einen Moment lang still, und ich schoss auf ihn, doch er entdeckte mich und versteckte sich hinter der Türe. Unmittelbar darauf lief er den Gang hinunter, auf die andere Treppe zu, und ich schoss noch einmal, ohne dass ich weiß, ob ich getroffen habe oder nicht. Und dann war er verschwunden.«
    »Was hatte er an?«, fragte Clayton, der jetzt zum ersten Mal sprach.
    »Ein blauweißes Hemd und irgendwelche Jeans vielleicht. Bei den Hosen bin ich mir nicht sicher.«
    »War die Kleidung zerrissen?«
    »Das weiß ich nicht. Ich hatte keine Zeit, auf so etwas zu achten.«
    Trave sah ungeduldig zu Clayton und trommelte mit den Fingern auf seinem Knie, während Clayton sich in seinem Büchlein Notizen machte.
    »Mr. Swain verschwand also«, sagte Trave und beugte sich vor. »Haben Sie ihn verfolgt?«
    »Ja, aber ich konnte ihn nicht einholen. Das wäre auch unmöglich gewesen: Er rannte ja, und ich habe Probleme mit meinem Bein« – Claes klopfte sich auf das linke Knie – »deshalb rief ich nach Titus, um ihn zu warnen, und ging dann ebenfalls runter. Titus stand auf dem Gang vor seinem Schlafzimmer. Wir suchten hier unten alles ab, doch es hatte den Anschein, als hätte Swain sich aus dem Staub gemacht. Also gingen wir wieder hinauf in Katyas Zimmer.«
    »Gemeinsam?«
    »Nein, Titus ging zuerst. Ich suchte die restlichen Räume nach Swain ab, denn ich wollte sichergehen, dass er sich nicht irgendwo versteckt.«
    »Was hätten Sie getan, wenn Sie ihn gefunden hätten?«
    »Natürlich das Nötige«, sagte Claes. Der kühle, kantige Klang, den seine Stimme jetzt hatte, kam Clayton recht befremdlich vor.
    »Und als Sie ihn dann nicht fanden, gingen Sie nach oben und entdeckten, dass Miss Osman eine Kugel im Kopf hatte. Wie haben Sie sich da gefühlt, Mr. Claes?«, fragte Trave.
    Claes antwortete nicht gleich. Es schien, als hätte ihn die Frage aus dem Konzept gebracht, als hätte er sich nur darauf vorbereitet, über das zu reden, was vorgefallen war, aber keineswegs über das, was er bei der Sache fühlte. Clayton hatte ohnehin nicht den Eindruck, als sei Claes ein Mann, der besonders viel Lebenszeit darauf verschwendete, über seine Gefühle zu sprechen.
    »Es tat mir leid. Natürlich tat es mir leid«, sagte er langsam. »Aber da war ja nichts mehr zu ändern.«
    »Das war es in der Tat nicht«, sagte Trave kühl. »Miss Osman hatte in letzter Zeit hier im Haus keine sonderlich gute Position, oder?«
    »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
    »Der Arzt sagt, sie sei stark unterernährt gewesen. Der eine Arm ist mit Einstichen übersät. Und ihre Fenster sind mit Gitterstäben verrammelt. Was können Sie dazu sagen, Mr. Claes?«
    »Sie hatte sich in der Stadt Probleme eingehandelt«, sagte Claes, wobei er seine Worte mit Bedacht wählte. »Mein Schwager kümmerte sich um sie, aber sie reagierte sehr widerwillig.«
    »Widerwillig?«
    »Ja. Ziemlich oft wollte sie nichts essen. Sie war wenig dankbar.«
    »Dankbar! Dafür, dass sie in ihrem eigenen Haus eingesperrt war?«
    Claes zuckte mit den Schultern.
    »Warum haben Sie versucht, Mr. Swain zu erschießen?«, fragte Trave.
    »Weil ich Angst vor dem hatte, was er als Nächstes zu tun beabsichtigte. Titus war unten, und er hatte ja Katya erschossen.«
    »Das wussten Sie nicht.«
    »Er kam aus ihrem Zimmer. Ich hatte einen Schuss gehört. Jeder hätte so

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