Der König der Diamanten
überrascht. »Davon höre ich zum ersten Mal. Wenn das wahr ist, liegt da sicher irgendeine Verwechslung zugrunde.« Clayton bemerkte, dass die Wangen des Direktors jetzt mit einer tiefen Röte überzogen waren, und er fragte sich, ob der Grund dafür Scham, Wut oder eine Mischung aus beidem war.
»Es ist wahr«, sagte Trave, der jetzt seinen Vorteil suchte. »Ihr zuständiger Beamter hat es uns bestätigt. Er hat uns das Buch gezeigt.«
»Nun, das wird nicht wieder vorkommen. Das kann ich Ihnen versichern.«
»Das glaube ich Ihnen gern. Wobei das jetzt für mich schon so wirkt, als würde man die Stalltüre verriegeln, nachdem der Gaul längst über alle Berge ist. Ist Ihnen eigentlich bewusst, was Ihre kleine Verwechslung für Schaden angerichtet hat?«, fragte Trave, der sich jetzt über den Tisch beugte und seinem Ärger freien Lauf ließ. »Eine Verwechslung! Ist das zu glauben? Da kann ich mir ja glatt die Frage sparen, wie Swain und Earle überhaupt fliehen konnten aus Ihrem sogenannten Hochsicherheitsgefängnis …«
»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte der Direktor, der sich bei dieser Attacke in den Sessel zurückgelehnt und die pummeligen Hände zu Fäusten geballt hatte.
»Na, was glauben Sie, was ich damit sagen will?«, fragte Trave zurück und starrte den Direktor genauso feindselig an wie der ihn.
Der Direktor öffnete den Mund, um zu antworten, besann sich aber eines Besseren und atmete tief ein.
»Ich kann nicht verstehen, warum Sie so aggressiv sind, Inspector«, sagte er schließlich in ebenso beherrschtem wie formellemTon, während er sich erhob und zur Türe ging. »Aber ein solches Verhalten kann ich in meinem Büro nicht akzeptieren. Bitte vereinbaren Sie einen Termin, sollten Sie weitere Fragen haben. Oder noch besser, schreiben Sie sie auf.« Er hatte die Tür jetzt geöffnet und wartete darauf, dass sie gingen.
Als sie draußen waren, rümpfte Trave angewidert die Nase. »Schnösel«, sagte er, wobei er das Wort ausspuckte, als würde es schlecht schmecken. »Noch einer, der mehr weiß, als er sagt.«
Clayton folgte seinem Vorgesetzten zum Wagen und fragte sich, was wohl als Nächstes auf dem Programm stand. Er fand es bald heraus: Anstatt ins Polizeirevier zurückzukehren, fuhr Trave stadtauswärts die Cowley Road entlang, den Fuß fest auf dem Gaspedal.
»Sollten wir uns nicht Eddie noch mal vorknöpfen – jetzt, wo wir wissen, wer Bircher ist?«, fragte Clayton, der sich am Armaturenbrett abstützte, um nicht nach vorne zu fliegen, als Trave an einer roten Ampel scharf bremste und so nur knapp einem Zusammenstoß mit dem von rechts kommenden Wagen entging.
»Nein, den lassen wir ein bisschen schmoren«, sagte Trave in einem Tonfall, der keinen Widerstand duldete. »Claes ist die Verbindung. Er ist der, mit dem wir jetzt reden müssen.«
»Verbindung? Sie glauben also, dass Claes Bircher benutzt hat, um Swain aus dem Knast zu schleusen, damit der dann Katya umbringt?«, fragte Clayton ungläubig.
»Vielleicht«, sagte Trave und klang mitnichten so, als würde er daran zweifeln – ganz im Gegenteil. »Und vielleicht hat Claes ja auch nicht auf eigene Faust gehandelt.«
»Sie meinen, Osman könnte auch beteiligt gewesen sein?«
Trave nickte.
»Aber warum dann dieses ganze Theater mit Swain? Warum musste er hinter Gitter?«, fragte Clayton. »Katya war krank, psychisch labil. Sie hätten es doch leicht wie einen Selbstmord aussehen lassen können.«
»Sicher, aber dann hätte ich doch die Möglichkeit gehabt, Osmandirekt anzugreifen, oder nicht? Er hat zu viel zu verbergen, als dass er das hätte riskieren wollen. So wie die Dinge jetzt liegen, steht Swain im Mittelpunkt der Ermittlungen. Sollte ich also anfangen, draußen in Blackwater Hall unbequeme Fragen zu stellen, muss Osman nur ein Wörtchen mit unserem Chef wechseln, und schon bin ich nicht mehr für den Fall zuständig.«
Trave drehte sich kurz zu seinem Kollegen und bemerkte dessen ungläubige Miene. »Osman hat es getan, um zu beweisen, dass er es kann. Das ist es, was ich glaube«, sagte er ruhig. »Aus dem gleichen Grund, aus dem er auch alles andere tut. Um zu zeigen, dass er es kann.«
Clayton biss sich auf die Lippe und schwieg. Er war überhaupt nicht einverstanden damit, wie sein Vorgesetzter diesen Fall behandelte, genausowenig, wie ihm seine aufeinandergepressten Kieferknochen gefielen, die weißen Fingerköchel, die das Lenkrad umklammerten, der schneidende Ton in seiner Stimme. Soweit Clayton
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