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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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Laut Akte hatte er seinen Wohnsitz in Oxford – von einem Mietshaus in London stand nichts drin. Ans Deckblatt waren seine Verhaftungsfotos geklemmt, frontal und im Profil. Mittelgroß, mitteldick, keine besonderen Merkmale, bis auf einen dichten, schwarzen Bart.
    »Na, wer sagt’s denn«, murmelte Trave, als er den Leihantrag für die Akte unterschrieb.
    Der Vollzugsbeamte brauchte nicht lange, um Bircher als den Mann zu identifizieren, der Eddie Earle vier Mal vor dem Ausbruch besucht hatte. Doch Trave war nicht zufrieden. Er bestand darauf, den Gefängnisdirektor zu sprechen und ließ nicht locker, bis die beiden Polizeibeamten eine halbe Stunde später auf unbequemen Stühlen mit harter Lehne in der Direktion im zweiten Stock saßen. Ihnen gegenüber saß kerzengerade der Direktor, ein mürrischer, fast glatzköpfiger kleiner Mann. Seine Hände lagen unbewegt auf dem Tisch, und er sah aus, als wollte jemand ein Foto von ihm machen. Hinter ihm hing ein Bild, von dem die junge Queen in blütenweißem Kleid und königlich-blauer Schärpe auf sie herabblickte, rechts daneben ein großes Emailschild, das die Gefängnisinsassen aufforderte, in Anwesenheit des Direktors nicht zu rauchen und sich zu erheben. Über der Tür tickte eine Uhr und maß mit dicken langen Zeigern die Zeit.
    Das einzige Fenster im Raum ging direkt hinaus auf den Hof inmitten der Gefängnisanlage, der trostlos und verlassen in der zunehmenden Dunkelheit dieses Herbstnachmittags lag. Jenseits des Hofes, hinter einem langgestreckten Backsteinbau mit kleinen, vergitterten Fenstern konnte Clayton den oberen Rand der Außenmauer erkennen. Er fragte sich, ob das wohl der Weg gewesen war, den Earle und Swain bei ihrer Flucht genommen hatten, und war für einen Moment tief beeindruckt von deren Tollkühnheit.
    »Was möchten Sie denn nun von mir wissen, Inspector?«, fragte der Direktor, indem er zu der Uhr aufsah, die über den Köpfen der Besucher hing. »Um zwei muss ich meinen Rundgang machen. Und da ich ein pünktlicher Mensch bin, bitte ich Sie, sich kurz zu fassen.«
    Die Stimme des Direktors hatte einen scharfen, nasalen Klang, der fast schon an Unhöflichkeit grenzte. Er wollte wohl keine weiteren Fragen zu dem Ausbruch beantworten. Man konnte sich leicht vorstellen, dass er einiges zu hören gekriegt hatte, und erwirkte nicht gerade wie jemand, der großen Wert darauf legte, in der Schusslinie zu stehen. Trave hingegen schien sich gar nicht darum zu kümmern – Clayton hatte seinen Vorgesetzten noch nie so enthusiastisch erlebt.
    »Ich möchte Sie etwas zu David Swain und Eddie Earle fragen, die beiden Gefangenen, die letztes Wochenende ausgebrochen sind«, sagte Trave. »Ich möchte wissen, wer die beiden in dieselbe Zelle gesteckt hat. Wer hat das entschieden?«
    »Das hat niemand entschieden«, antwortete der Direktor ohne zu zögern. »Das ist der normale Verwaltungsvorgang. Swains Zellengenosse wurde zwangsverlegt, nachdem er eine Schägerei angefangen hatte, und Earle rückte an seine Stelle. Es ist bei uns nicht üblich, Zellen nur einzeln zu belegen, Inspector. Platz ist hier extrem kostbar.«
    »Aber warum Earle? Warum kommt ein bekannter Ausbrecher in eine Zelle mit einem Gefangenen der Sicherheitsstufe eins?«
    »Wir haben hier jede Menge Gefangener mit hoher Sicherheitsstufe. Earle musste einfach irgendwo hin.«
    »Warum? Warum konnte er nicht dort bleiben, wo er war? Warum kam nicht ein Neuankömmling zu Swain in die Zelle?«
    »Warum? Darum. Ohne besonderen Grund. Wir schieben unsere Gefangenen hin und her. Grundsätzlich. Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen, Inspector, aber …«
    »Ich möchte auf gar nichts hinaus«, unterbrach Trave. »Zwei Männer sind aus Ihrem Gefängnis ausgebrochen. Einer der beiden ist ein verurteilter Mörder, der sich immer noch auf der Flucht befindet, und ich muss wissen, wie die beiden zusammenkamen. Das ist alles.«
    »Und das habe ich Ihnen nun erläutert«, sagte der Direktor und erhob sich aus seinem Sessel. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen …«
    Doch Tave ignorierte den Versuch des Direktors, das Gespräch zu beenden, und blieb wie festgenagelt sitzen.
    »Wie viele Besuche darf ein Gefangener normalerweise pro Monat haben?«, fragte er.
    »Zwei«, sagte der Direktor, während er sich widerwillig zurück in den Sessel sinken ließ. »Je vier Wochen zwei.«
    »Warum hatte Earle dann letzten Monat vier?«
    »Ich weiß nicht«, sagte der Direktor und klang dabei ehrlich

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