Der König der Diamanten
sehen konnte, gab es so gut wie keine Indizien, die auf Claes hindeuteten, und ebenso wenige deuteten auf Osman. Nur weil Trave es wollte, war der noch lange kein Mörder. Alles deutete auf David Swain, und dieser Überraschungsbesuch in Blackwater Hall war im besten Fall eine sinnlose Unternehmung, vielleicht aber auch ein grober Fehler. Aber Trave war nun mal der, der die Ermittlung leitete – und er bestimmte auch, wohin sie fuhren und wann. Clayton hatte seinen Chef schon einmal in Rage versetzt, als er sein Vorgehen kritisiert hatte, und ohne Not wollte er dies nicht noch einmal provozieren. Clayton war unabhängig im Denken – deswegen hatte Trave ihn gern zum Assistenten –, aber nach Meuterei stand ihm nun mal nicht der Sinn.
Deshalb behielt er seine Überlegungen für sich und hoffte, alles würde gutgehen, während Trave scharf links abbog und mit Vollgas die Straße zur Kirche von Blackwater hinaufraste, die silbrig und still auf dem Hügel stand und die üppig-grüne Landschaft überblickte.
Kapitel Dreizehn
Vanessa war noch nicht einmal aus ihrem Auto gestiegen, da öffnete Franz Claes die Eingangstür und kam ihr entgegen. Er trug ihren Mantel in die Eingangshalle und führte sie in den Salon, während er ihr erklärte, dass Titus noch im Arbeitszimmer beschäftigt sei. Er bot ihr einen Drink an, den sie ablehnte, und dann, als sie schon dachte, er würde jetzt gehen, schloss er die Tür und setzte sich ihr gegenüber aufs Sofa. Sofort wurde sie nervös. Bis jetzt war er immer darauf bedacht gewesen, ihr aus dem Weg zu gehen und sie mit einer eisigen Höflichkeit zu behandeln, die nicht über eine deutliche Antipathie hinwegzutäuschen vermochte. Sie fragte sich, woran es liegen könnte, dass er ihr heute anders begegnete.
»Vielleicht überlege ich mir das mit dem Drink noch mal«, sagte sie. »Ein Glas Wein vielleicht.«
»Aber gern«, sagte Franz und ging hinüber zur Anrichte, wo er mit raschen Handgriffen ein Flasche öffnete. Als er ihr das Glas reichte, suchte er ihren Blick und ließ ihn nicht los.
»Es scheint, als wollten Sie mir etwas mitteilen, Franz«, sagte sie. »Warum sagen Sie es nicht und erlösen mich aus dieser Spannung?«
Er nickte und setzte sich mit dem Anflug eines Lächelns wieder hin. »Es geht um Titus«, sagte er. »Ich mache mir Sorgen um ihn.«
»Wegen der Dinge, die passiert sind?«
»Ja. Er steht unter großem Druck, und der Inspector, Ihr Mann, macht das Ganze nur noch schlimmer.«
»Wie bitte? Noch schlimmer als letzten Sonntag?«, fragte Vanessa und versuchte nicht zu zeigen, wie sehr sie das verwirrte. Sie hatte Titus in der vergangenen Woche nur einmal kurz zum Lunch in Oxford getroffen, und weder da noch bei einem ihrerTelefonate hatten sie über ihren Mann gesprochen. Er hatte offenbar nicht gewollt, dass sie sich aufregte.
»Ja, er kommt fast jeden Tag hierher, beleidigt Titus und behandelt uns, als seien wir Verbrecher, wo er doch eigentlich den wirklichen Mörder finden sollte«, sagte Franz, ohne seinen Ärger zu verbergen. »Swain hat Katya getötet, genauso wie er Ethan Mendel getötet hat. Ich habe ihn dabei erwischt.«
»Ich bin mir sicher, Bill tut alles, um ihn zu finden«, sagte Vanessa, indem sie versuchte, ihre Stimme überzeugender klingen zu lassen, als sie sich tatsächlich fühlte. »Die Fahndung ist jeden Tag ein großes Thema im Radio.«
»Ich fürchte, ich kann Ihren Optimismus nicht teilen, Mrs. Trave«, sagte Claes kalt. »Eine Woche ist vergangen und sie haben nichts herausgefunden. Und dennoch lässt Ihr Mann uns nicht in Ruhe …«
»Und was, bitte, soll ich dagegen tun?«, entfuhr es Vanessa. »Es ist Ihnen sicher nicht entgangen, dass ich seit achtzehn Monaten nicht mehr mit meinem Mann zusammenlebe. Ich kann ihm nicht sagen, was er machen soll, und selbst wenn ich es könnte, würde er nicht auf mich hören.«
»Ich weiß. Ich verstehe das ja«, sagte Claes und senkte den Kopf. »Inspector Trave macht seine Gesetze selbst. Sie können ja nichts dafür, dass Sie mit ihm verheiratet sind.«
»Das kann ich in der Tat nicht«, sagte Vanessa scharf. Sicher, sie hatte ihren Mann verlassen, aber das hieß noch lange nicht, dass Franz Claes ihn einfach so beleidigen durfte. »Er ist ein guter Polizist. So viel weiß ich immerhin«, setzte sie ärgerlich hinzu.
»Mag sein, er war früher einmal gut. Jetzt ist er es nicht mehr. Er behandelt uns so wegen Ihnen und Titus, und das macht ein guter Polizist nun mal nicht. Das ist
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