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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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wiederum etwas, das
ich
weiß.«
    »Also gut«, sagte Vanessa und versuchte, ihren Ärger hinunterzuschlucken. »Wenn es wahr ist, was Sie sagen, dann ist Bill vielleichtim Unrecht. Aber ich verstehe immer noch nicht, warum Sie mir das überhaupt erzählen. Sie sagten doch, es gäbe nichts, was ich tun könnte.«
    »Ja. Aber da ist etwas, das Sie
nicht
tun könnten«, sagte Claes leise.
    »Wie meinen Sie das –
nicht
tun?«
    »Titus hat mir erzählt, was Katya Ihnen hier drin gesagt hat. Sie hat natürlich gelogen, aber das spielt keine Rolle. Wenn Ihr Mann davon erfährt, lässt er Titus nicht mehr in Frieden. Und sperrt ihn ein. Das wäre genau der Vorwand, nach dem er sucht. Und Titus wäre beschmutzt, obwohl er unschuldig ist. Ich frage Sie: Wäre das gerecht?« Franz beugte sich vor und sah Vanessa in die Augen. Er hatte die Stimme nicht erhoben, doch sie sah, dass seine knochigen Hände in seinem Schoß ineinander verknotet waren. Es kam ihr vor, als könne er in sie hineinblicken, und sie spürte ihr Herz schneller schlagen. Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn.
    »Titus hat mir erzählt, dass er Sie gebeten hat, nichts zu sagen«, fuhr Franz nach einer kurzen Pause fort. »Er sagte mir, dass Sie darüber nachdenken wollten. Aber nachdenken ist nicht genug, Mrs. Trave. Sie müssen entscheiden, was richtig ist. Sie müssen Titus vor Ihrem Ehemann beschützen.«
    Vanessa atmete tief ein und versuchte, das Chaos in ihrem Inneren weiter unter Kontrolle zu halten. Die ganze Woche schon hatte sie krampfhaft hin- und herüberlegt, wie sie sich verhalten sollte. Sie vertraute Titus und wollte ihm helfen, doch jedesmal, wenn sie beschloss, zu tun, was er verlangte, und zu schweigen, sah sie Katyas verzweifeltes Gesicht vor sich. Welche Anstrengung das Mädchen unternommen hatte, um das, was sie sagen wollte, auch loszuwerden! »Sie wollen mich umbringen« – wenn damit nun Claes und seine unsichtbare Schwester gemeint waren? War das womöglich der Grund dafür, dass Claes sich jetzt an sie wandte? Nicht etwa wegen Titus, sondern um sich selbst zu schützen?
    »Weiß Titus, dass Sie mich auf diese Sache ansprechen?«, fragte sie.
    Claes schüttelte den Kopf, und sie hatte das Gefühl, ihm glauben zu können. Titus war zu sehr um ihr Wohlbefinden besorgt, als dass er Claes erlaubt hätte, sie zu belästigen – er wusste, wie unangenehm sie seinen Schwager fand.
    »Also?«, fragte Claes und sah sie erwartungsvoll an. »Können wir auf Sie zählen?«
    »Ich werde das mit Titus besprechen«, antwortete sie. Claes lief rot an, schluckte jedoch eine Erwiderung hinunter, denn die Türe ging auf und Titus trat ein.
    »Entschuldige«, sagte er mit überraschtem Gesichtsausdruck. »Ich habe erst jetzt gesehen, dass dein Auto draußen steht. Ich wusste nicht, dass du schon da bist. Hat Franz sich gut um dich gekümmert?«
    »Oh ja«, sagte Vanessa und hob das Glas. »Er war äußerst aufmerksam.«
     
    Nach dem Lunch lieh Titus ihr ein Paar Gummistiefel und sie gingen über den Rasen zu dem Pfad, der durch die Kiefern hinunter zum See führte. Titus’ Katze Cara folgte ihnen ein Stück, drehte dann aber ab und schlüpfte an anderer Stelle in das Waldstück – ein Jagdausflug ins Unterholz schien interessanter. Vanessa war nicht sonderlich traurig, dass das Tier verschwand. Es war ihr stets unangenehm, wenn die Katze sie bei ihren Besuchen in Blackwater Hall mit ihren grünen Augen anstarrte. Ein- oder zweimal hatte sie versucht, sie zu streicheln, aber jedesmal stolzierte sie davon. Offenbar war sie nicht empfänglich für gutgemeinte Zuwendungen.
    Es hatte geregnet, und der Boden unter ihren Füßen war immer noch nass. Nebelfetzen hingen in der feuchten Luft, und die Kälte des Herbstes kribbelte auf Vanessas Haut, was seltsamerweisedafür sorgte, dass sie nervös wurde und sich unwohl fühlte. Titus hingegen schien so gute Laune zu haben wie noch nie seit der Mordnacht. Sie hatte sich Sorgen um ihn gemacht, nachdem sie vergangenen Sonntag und dann unter der Woche hatte feststellen müssen, wie verändert er war. Dicke, schwarze Ringe hatte er unter den Augen, und seine Sätze kamen abgehackt, als würde sein Geist umherschweifen. Später, als sie wieder allein war, war er ihr vorgekommen wie ein alter Baum, den ein Wintersturm zu Boden drückt. Die Vorstellung machte ihr Angst, und sie fürchtete ernsthaft, er würde sich nicht von dem Schlag erholen, den der Tod seiner Nichte ihm zugefügt hatte. Immerhin betraf es ja

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