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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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Trave stand auf, schaute hinüber zu Vanessa und versuchte, ihr zu erkennen zu geben, dass es ihm leid tat und nicht in seiner Absicht gelegen hatte. Doch sie wich seinem Blick aus und griff stattdessen nach der Hand von Osman.
    Fahrt doch zur Hölle
, dachte er, indem er sich wegdrehte und rasch zu seinem Wagen ging. Er stieg ein und streckte sich, um die Beifahrertürzu schließen, bevor Clayton den Türgriff packen konnte. Dann legte er den Gang ein, fuhr in einem engen Bogen um den Brunnen mit den Meerjungfrauen herum und raste die Einfahrt hinunter. Über ihm ertönte heftiges Donnergrollen, und aus dem bleiernen Himmel begannen dicke Regentropfen auf den Boden zu klatschen.
     
    Binnen fünf Minuten nach seiner Ankunft im Revier hatte Trave Eddie im Verhörraum. Er nahm einen jungen Constable in Uniform mit sich, um einen Zeugen und eine Mitschrift zu haben für den Fall, dass er Eddie zum Reden brachte.
    »Ich habe gesagt, ich will einen Anwalt«, sagte Eddie trotzig.
    »Den sollen Sie haben, sobald Sie sich angehört haben, was ich Ihnen sagen will«, sagte Trave. »Sie müssen nichts sagen, wenn Sie nicht wollen. Ich habe Ihnen gerade Ihre Rechte vorgelesen.«
    Eddie zündete sich eine Zigarette aus dem Päckchen an, das Trave geöffnet auf den Tisch gelegt hatte, und atmete den Rauch tief ein. Er sah Trave an und schaute dann wieder weg. Jetzt wirkte er noch nervöser als beim letzten Mal, stellte Trave zufrieden fest.
    »Also gut, um was geht es?«
    »Der Besuchsbeamte im Gefängnis hat Bircher als den Mann identifiziert, der Sie vergangenen Monat vier Mal besucht hat. John Bircher, der auch befreundet ist mit Franz Claes, welcher wiederum draußen in Blackwater Hall wohnt. Sagt Ihnen der Name irgendwas, Eddie? Franz Claes?«
    »Vielleicht.«
    »Was meinen Sie mit ›vielleicht‹?«
    »Swain hat ihn ein paarmal erwähnt.«
    »Und was ist mit Bircher? Hat er Claes erwähnt?«
    Eddie sah Trave an und schwieg.
    »Bircher, Eddie. Der Mann mit dem Bart. Hier, lassen Sie mich Ihr Gedächtnis auffrischen.«
    Trave hatte das Foto von Bircher verkehrt herum auf den Tisch gelegt. Jetzt deckte er es auf und schob es zu Eddie hinüber, der einen kurzen Blick darauf warf und dann wegsah.
    »Er ist der, der Ihnen über die Mauer geholfen hat, stimmt’s, Eddie? Der Ihnen einen Wagen besorgt hat und Geld. Der Ihnen in London einen Ort zum Untertauchen organisiert hat. Warum, Eddie? Warum hat er all das getan?«
    Eddie drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus und begann an seinem Daumennagel zu kauen. »Sie haben nichts in der Hand«, sagte er und spuckte die Worte geradewegs aus. »Nichts.«
    »Noch nicht, das ist richtig. Aber ich habe auch gerade erst angefangen. Ich mache diesen Job schon lange genug, um zu wissen, dass es immer Beweise gibt. Man muss nur wissen, wo man zu suchen hat. Und das weiß ich jetzt. Ich werde Bircher finden, und wenn er redet, brauche ich Sie gar nicht mehr. Und dann sind Sie fällig, Eddie. Beihilfe zum Mord: Sie werden ein alter Mann sein, wenn Sie irgendwann mal rauskommen.«
    Eddie begann zu wanken. Trave konnte es spüren. Darin war er nun mal Experte: sein Opfer wie einen Fisch zu behandeln, ihn langsam heranziehen. Die Anzeichen waren klar zu erkennen: die Schweißperlen auf Eddies Stirn, die Art und Weise, wie Eddie an seinen Nägeln herumkaute und bereits die nächste Zigarette angesteckt hatte, an der er gierig sog. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, vorausgesetzt natürlich, dass Eddie etwas wusste. Aber das war ja der Fall. Trave war nicht bereit, daran zu zweifeln.
    »Reden Sie, Eddie. Sagen Sie gegen Claes und Bircher aus, dann beschütze ich Sie«, sagte Trave und beugte sich über den Tisch. »Straffreiheit, vorzeitige Entlassung, ein Neubeginn, was auch immer.«
    Trave wusste, dass er sich auf dünnem Eis bewegte. Ein Angebot wie dieses musste von oben abgesegnet sein, aber dafür hatte er jetzt einfach keine Zeit. Zeit war das Einzige, was ihm fehlte. Und er war so gut wie am Ziel – es musste ihm nur gelingen, Eddie indie Augen zu sehen. Aber Eddie hatte sich in sich selbst zurückgezogen, saß nach vorne gebeugt, kaute an den Fingernägeln, starrte zu Boden. Trave verspürte den Wunsch, Eddie zu packen und die Wahrheit aus ihm herauszuschütteln, ihn gegen die Wand zu drücken, ihn zum Reden zu bringen – doch er wusste, dass er das nicht konnte. Er war viel zu lange ein ehrlicher Polizist gewesen, als dass er sein Vorgehen jetzt würde ändern

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