Der König der Diamanten
können.
»Was sind Sie denen denn schuldig?«, fragte Trave hartnäckig. »Nichts«, fuhr er fort und beantwortete damit seine eigene Frage. »Denken Sie an sich selbst, Eddie. Machen Sie sich doch nicht zu deren Prügelknaben.«
Eddie blickte auf, und Trave versuchte, die widersprüchlichen Gefühle in seinem Gesicht zu deuten. Angst war zu erkennen, aber was noch? Unentschiedenheit? Hoffnung? Eddie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, und schloss ihn gleich wieder. Er sah nicht mehr zu Trave, sondern über dessen Schulter zur Tür, die gerade aufgegangen war. Trave drehte sich um und erblickte im Türrahmen Creswell, und dahinter, wie einen Geier auf der Lauer, Macrae.
»Ich muss mit Ihnen sprechen, Inspector. In meinem Büro«, sagte der Superintendent. Das war jetzt ein Befehl und keine Bitte.
»Ich komme gleich«, sagte Trave in der Hoffnung, Creswell würde ihm noch ein oder zwei Minuten mit Eddie gewähren. Mehr brauchte er nicht. Doch diese Hoffnung war vergeblich.
»Sofort, Bill«, sagte Creswell in einem Tonfall, der keinen weiteren Widerspruch duldete.
Trave warf einen letzten Blick über den Tisch hin zu Eddie und wusste, dass er verloren hatte. Er erhob sich und wollte sich schon wegdrehen, da schaute ihn Eddie hasserfüllt an. »Ich bin kein Verräter«, zischte er verächtlich. »Ich hab doch gesagt, ich bin kein Verräter.«
Trave saß in Creswells Büro und sah ziemlich geknickt aus. Macrae hatte versucht, ebenfalls das Büro zu betreten, aber wenigstens das hatte Creswell verhindert. Der Superintendent wirkte eher traurig als wütend.
»Mr. Osman hat angerufen und mir erzählt, was draußen in Blackwater passiert ist«, sagte Creswell. »Sie sind für den Fall nicht mehr zuständig, Bill. Und es kann sein, dass Sie noch mehr Ärger kriegen. Das weiß ich noch nicht. Ich werde tun, was ich kann. Darauf können Sie sich verlassen. Sie sind ein verdammt guter Beamter, und Sie hatten mehr an der Backe, als man einem normalen Menschen zumuten kann. Ich fühle mich verantwortlich: Ich hätte von Anfang an jemand anders mit der Sache betrauen sollen.«
»Ich habe darauf bestanden.«
»Ja, das stimmt. Aber das heißt ja nicht, dass ich darauf hören musste.« Creswell brach kopfschüttelnd ab. »Was für ein Durcheinander! Was für ein gottserbärmliches Durcheinander!«
»Und wer übernimmt den Fall?«, fragte Trave, obwohl er die Antwort auf diese Frage schon wusste.
»Hugh Macrae …«
»Das darf doch nicht wahr sein!«
»Reißen Sie sich zusammen, Bill«, sagte Creswell, und in seiner Stimme schwang jetzt ein warnender Unterton mit. »Er wird Swain finden …«
»Ja, und er wird auch noch ganz andere Dinge tun …«
»Schluss jetzt!«, sagte Creswell und schlug mit der Hand auf den Tisch. »Ich leite diese Dienststelle, nicht Sie, und es interessiert mich nicht, was Sie über Inspector Macrae denken. Sie haben hier genug Schaden angerichtet für heute. Sie sollten verdammt noch mal dankbar sein, dass ich zu Ihnen halte. Sie lassen die Finger von diesem Fall, verstanden?«
»Verstanden«, sagte Trave und senkte den Kopf. »Es tut mir leid, Sir, ehrlich. Sie müssen mir nicht sagen, was für ein Idiot ich gewesen bin.«
»Das sind Sie nicht«, sagte Creswell beschwichtigend. »Gehen Sie nach Hause, Bill. Genehmigen Sie sich einen Drink. Zwei Drinks. Tun Sie das, was ein Workaholic wie Sie zum Entspannen braucht. Und dann vergessen Sie diesen Fall – als hätte es ihn nie gegeben. Einverstanden?«
»Ja, Sir«, sagte Trave und erhob sich.
Doch gerade als er an der Tür war, rief Creswell ihn noch mal zurück. »Clayton wird mit Macrae zusammenarbeiten«, sagte er. »Der Kontinuität halber. Sobald der Fall abgeschlossen ist, können Sie ihn wiederhaben.«
»Gut«, sagte Trave und nickte.
»Gut?«
»Ja, gut. Danke, Sir. Ich geh jetzt mal und genehmige mir den Drink«, sagte Trave und schloss die Tür.
Auf dem Gang begegnete er Macrae und ging an ihm vorbei, als sei er Luft. Macrae wartete einen Moment und ging dann zum Fenster. Ein Lächeln überzog sein Gesicht, als er Trave unten in seinen Wagen steigen sah. Und während Trave davonfuhr, summte er leise ein altes Lied aus dem Ersten Weltkrieg vor sich hin, eines seiner Lieblingslieder: »Oh, we don’t want to lose you but we think you ought to go …« – Wir wollen euch nicht verlieren, aber es ist Zeit für euch zu gehen …
Kapitel Vierzehn
Adam Clayton hatte die Ereignisse noch immer nicht ganz verdaut, als er am
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