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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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das eisige Lächeln, das sich auf seinem Gesicht breitmachte, erweckte bei Clayton das unangenehme Gefühl, der Inspector könne seine Gedanken lesen.
    »Es geht aber nun mal nicht nach mir«, fuhr Macrae mit derselben metallenen Stimme fort. »Und Inspector Trave macht weiter wie bisher. Dafür wurde er wenigstens von diesem Fall abgezogen: Den hat man ihm ein für allemal aus den Händen genommen. Und das bedeutet für Sie, dass Sie nicht mit ihm darüber reden werden. Ihre Loyalität gehört jetzt mir, Constable. Haben wir uns da verstanden?«
    Clayton spürte nicht nur die Augen Macraes auf sich, sondern auch die des schweigenden Constable Wale. Er wollte nicht akzeptieren, dass Macrae seine Professionalität in Frage stellte, und er ärgerte sich, dass dieser im Beisein eines Jungpolizisten wie Wale auf diese Sache zu sprechen kam. Doch in dem einen Punkt hatte er einfach recht: Trave hatte aus dem Osman-Fall ein totales Chaos gemacht. Die Ermittlung hatte den Indizien zu folgen, nicht fadenscheinigen Zusammenhängen, und das hieß, dass man sich auf David Swain konzentrierte. Dazu war Trave nicht bereit gewesen, und es war nur richtig, dass man ihn ausgetauscht hatte. Claytonwusste, dass seine persönliche Abneigung Macrae gegenüber keinen Einfluss auf seine Arbeit nehmen durfte. Oberstes Ziel war, Swain zu fangen. Macrae stand in dem Ruf, Ergebnisse zu erzielen, und er hatte ein Recht darauf, mit seiner Unterstützung rechnen zu können.
    »Sie können auf mich zählen, Sir«, sagte Clayton.
    »Danke, Constable«, sagte Macrae mit einem freundlichen Lächeln. »Dann erzählen Sie mir und Jonah mal, was passiert ist. Sie werden feststellen, dass wir gute Zuhörer sind.«
    Und das war keine Übertreibung. Wale verfolgte Claytons Bericht vollkommen still, und auch Macrae stellte nur ein oder zwei Fragen. Seltsamerweise schien er höchst interessiert an dem Umstand, dass Trave im vergangenen Jahr Swain zweimal im Gefängnis von Brixton besucht hatte.
    »Trave glaubt also nicht nur an Swains Unschuld in dem Mordfall Mendel, er geht auch zu ihm hin und sagt ihm das?«
    »Ich weiß nicht, ob er es wirklich gesagt hat«, erwiderte Clayton. »Er meinte, er wolle sehen, ob Swain irgendwie Erhellendes zu dieser Zettelbotschaft sagen könne. Und natürlich zu den anderen Aspekten des Falls. Aber von Swain kam nichts Brauchbares.«
    »Aber er ist zweimal hin. Das wissen Sie sicher?«
    »Ja.«
    »Sehr interessant.« Macrae strich sich für einen Moment mit seinem langen, dünnen Zeigefinger übers Kinn und nickte dann, als sei er zu einer Entscheidung gekommen. »Danke, Constable«, sagte er. »Sie waren sehr hilfsbereit. Und jetzt …«
    »Jetzt, Sir?«, fragte Clayton, als Macrae seinen Satz nicht beendete.
    »Jetzt werden wir eine Pressekonferenz abhalten«, sagte Macrae und schnalzte energisch mit den Fingern. »Wie wär’s mit heute Nachmittag, zwei Uhr? Versuchen Sie, soviele Reporter wie möglich herzukriegen. Jonah wird Ihnen bei den Telefonaten helfen. Das kann er nämlich gut.«
     
    David lag auf seinem Bett und hörte Radio. Es war der neunte Tag in Folge, den er im Inneren des heruntergekommenen Hotels in der Parnell Avenue Nr. 10 zubrachte, und er wusste nicht, wie lange er das noch aushalten würde. Die körperlichen Schmerzen in seiner Schulter hatten weitgehend aufgehört, da die Wunde von Claes’ Kugel so gut wie verheilt war. Die seelische Qual, unter der er mittlerweile litt, war jedoch fast nicht mehr zu ertragen. Jede Sekunde rechnete er damit, dass es an der Tür klopfte. Die Warterei hatte dafür gesorgt, dass sein Körper völlig verkrampft und sein Nervenkostüm zerfetzt war. Das hier war bei weitem schlimmer als Gefängnis. O’Brien mochte ein religiöser Idiot gewesen sein und Eddie ein verlogener Dreckskerl, aber wenigstens waren das menschliche Wesen, mit denen man reden konnte. Außerdem gab es ja bis zu einem gewissen Grad auch ein Leben außerhalb der Zelle – in der Kantine, im Hof oder im Trainingsraum. Hier nahm die Angst beim Rausgehen zu. Dreimal seit seinem Einzug hatten Hunger und Platzangst ihn dazu gebracht, den Tante-Emma-Laden am Ende der Straße aufzusuchen. Trotz hochgeschlagenem Kragen und langen Bartstoppeln war er fest davon überzeugt, dass der kleine Inder an der Kasse ihn beim letzten Einkauf beinahe erkannt hätte. Davids Hand hatte unglaublich gezittert, als er das Wechselgeld entgegennahm. Es hätte nicht viel gefehlt und er wäre einfach die Straße

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