Der König Der Komödianten: Historischer Roman
tote Huhn zurück. »Verzeiht die Umstände. Viel Freude bei der Vorstellung!«
Der Frau war anzusehen, dass sie aufbegehren wollte, es sich aber angesichts des hohen Ranges Morosinis lieber verkniff. Stumm und mit zornrotem Gesicht klemmte sie ihr schlaffes Huhn unter den Arm und verschwand in der Menge der Zuschauer.
»Manchmal muss man grob zu Werke gehen, um für Ruhe und Frieden zu sorgen«, sagte Morosini.
Ich hatte schon viele Hühner sterben sehen – etliche hatte ich sogar eigenhändig ins Jenseits und hinterher zu Paulina in die Küche befördert –, und Morosini hatte mich durch sein resolutes Eingreifen aus einer dummen Klemme befreit, doch der Vorfall verursachte mir Unbehagen. Nichtsdestotrotz bedankte ich mich höflich bei ihm, was er mit knappem Nicken zur Kenntnis nahm.
Der Einlass der übrigen Zuschauer verlief zum Glück reibungslos, auch wenn sich unter denen, die keinen Platz mehr im Saal fanden und daher draußen bleiben mussten, einiges Murren erhob. Diesmal eilte mir Cipriano zu Hilfe, der sich oben an der Außentreppe postierte und den unten Stehenden freudestrahlend zuwinkte. »Niemand muss enttäuscht sein, liebe Leute! Alle, die heute zu spät kamen, haben morgen mehr Glück – die zehn ersten Besucher dürfen eine zweite Person kostenlos mit hineinnehmen! Und einen Becher Wein gratis dazu! Also kommt auf alle Fälle wieder!«
Dieses Angebot fand ich zur Lösung des Problems geradezugenial. Dasselbe dachten wohl die Besucher, die für diesmal auf ihr Vergnügen verzichten mussten – ich sah kein einziges wütendes Gesicht, als ich die Pforte schloss.
Oben im Portego hatte Baldassarre bereits mit seiner Ansprache begonnen und kündigte in spritzigen Versen die bevorstehende Aufführung von Eine lustige Brautwerbung an. Unter den erwartungsvollen Ausrufen der Zuschauer kamen gleich darauf die Schauspieler aus einem Nebenraum und betraten die Fläche des Saals, die als Bühne abgeteilt war, und schon war die akrobatische Einführungsdarbietung in vollem Gange. Franceschina jonglierte mit sieben, Rodolfo mit fünf Bällen, Bernardo blies die Trompete, Baldassarre schlug die Trommel, Cipriano und Caterina tanzten und Elena balancierte auf dem Seil.
Im Licht der zahlreichen Kerzen sah sie aus wie ein schwebender Engel, und atemlos verfolgte ich, wie sie ihre Kunststücke darbot. Sie umfasste einen Fuß und hob ihn hoch über den Kopf, als wäre ihr Körper vollkommen knochenlos und biegsam wie ein Grashalm. Dann glitt sie auf dem Seil nieder und spreizte ihre Beine dabei zum Spagat, Kopf und Arme in königlicher Gebärde erhoben, bevor sie sich wie von Zauberhand emporgezogen zum Stand aufrichtete. Nach einigen weiteren gefährlich aussehenden Verrenkungen kam sie zum Abschluss: Sie beugte sich vor, umfasste mit den Händen das Seil und vollführte einen fließenden Überschlag, bis sie wieder auf den Füßen stand.
Der Applaus galt allein ihr, davon war ich mit einem Mal überzeugt, und ich fragte mich, warum ich so naiv gewesen war zu glauben, dass hauptsächlich Caterina das Publikum zu solchem Beifall animierte.
Vergleichshalber betrachtete ich Caterina – und bekam sofort Zweifel, ob ich wirklich naiv gewesen war. Sie war vollkommen in ihrer Schönheit, daran gab es nichts zu rütteln, und die Art, wie sie sich zum Takt der Musik bewegte …
»Sie ist eine Göttin, nicht wahr?«, zischte mir jemand vonrechts ins Ohr. Es war Razzi, der sich an meine Seite geschoben hatte und Caterina anstarrte, als wäre er ein Verdurstender nach einem Wochenmarsch durch die Wüste und sie die rettende Oase. »Ich hörte munkeln, dass sie mit ihrer Ehe hadert und darunter beträchtlich leidet.« Sein Zischen wurde feuchter, ein Spuckespritzer traf mich am Ohr. »Eine Ehe, von welcher man sagt, sie sei ohnedies nicht rechtens. Wisst Ihr mehr darüber?«
Ich fragte mich, wo er das wohl hatte munkeln hören, vor allem aber, von wem. Zog man in Betracht, dass die Incomparabili erst seit dem Vortag in der Stadt weilten, mussten gewisse Gerüchte seither nicht nur Beine, sondern auch Flügel bekommen haben. Der gelackte Schönling Razzi wiederum war offenbar genau der Richtige, um solche Informationen sofort in den falschen Hals zu bekommen und sich Hoffnungen zu machen.
Vorsorglich tat ich, als hätte ich seine Worte nicht verstanden. Mittlerweile hatte ich begriffen, dass man sich aus bestimmten Dingen besser heraushielt, und das bezog sich nicht nur auf fremde Badezuber, sondern auch auf fremde
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