Der König Der Komödianten: Historischer Roman
auf wenige Kerzen das Licht.
»Wie weit bist du mit deinem Stück?«, wollte Henry wissen. Im Kerzenschein schimmerte sein Bartschatten genauso rötlich wie sein Haar.
»Hm«, machte ich.
Aufmerksam betrachtete er mich. »Ah, du bist in eine Schaffenskrise gefallen!«
»Wie kommt Ihr auf den Gedanken?«
»Ich kenne diesen Gesichtsausdruck.«
»Vermutlich von Eurem Freund Will.«
»Ganz recht.« Mitfühlend schnalzte Henry mit der Zunge. »Lass dir eines sagen, mein Junge: Meist geht es vorüber.«
»Wieso nur meist?«
»Zuweilen führt es auch zu Depression und Trinkerei, was im schlimmsten Fall sogar mit dem Tode enden kann. Mein Freund Will hatte beispielsweise einen Konkurrenten, einen sehr erfolgreichen Theaterautor, der im vergangenen Jahr unter scheußlichen Umständen bei einer Wirtshausschlägerei …«
»Ich glaube nicht, dass ich seine Geschichte hören möchte«, unterbrach ich ihn resigniert.
»Wie du meinst.« Henry klopfte mir kameradschaftlich auf die Schulter. »Es wird ohnehin Zeit, dass ich mich verabschiede.«
»Reist Ihr denn schon nach London zurück?«
»Nicht doch!« Henry lachte. »Es ist nur ein Abschied für heute. Morgen werde ich mich wieder hier einfinden, denn wie ich erfahren habe, probt ihr am Nachmittag zum ersten Mal dein neues Stück, das möchte ich mir um nichts in der Welt entgehen lassen!«
Dasselbe hatte ich bis vor ein paar Stunden auch noch gedacht, doch nun wünschte ich mir, das Ganze könne ohne mich stattfinden.
Niedergeschlagen begleitete ich Henry nach draußen.Anschließend blieb ich im Innenhof stehen und lauschte dem Geräusch der zufallenden Pforte.
Wie hatte ich mir je einbilden können, ein strahlender Held zu sein, dem zur Vollkommenheit lediglich ein Schwert fehlte, oder gar ein vielversprechender Autor, der sich für den rauschenden Erfolg bloß ein paar Szenen ausdenken musste!? Ausgerechnet ich, ein Junge aus der Einöde, der zufällig einen Stapel Bücher gelesen hatte, aber sonst kein bisschen von der Welt verstand!
Was war ich für ein dummer Tropf !
Oben ging die Tür zum Piano Nobile auf, und ein schmaler, vom unsteten Schein eines Windlichts umflossener Schatten kam durch die Dunkelheit über die Außentreppe herunter in den Innenhof. Es war Elena.
»Warum stehst du allein hier im Dunkeln?«, wollte Elena wissen.
»Ich war gerade dabei, ins Haus zu gehen.«
»Ohne Licht?«
»Ich finde den Weg auch so.« Das traf zu, denn ich kam im Dunkeln gut zurecht, auch wenn ich mir sicher ein paar Mal die Zehen stoßen würde, bis ich die Kerze in meiner Kammer angezündet hatte.
Elena trat von einem Fuß auf den anderen und wirkte seltsam verlegen. »Ich bin wegen der Überraschung hier, die ich dir angekündigt hatte. Du musst dafür die Augen schließen.«
Perplex musterte ich sie, wobei mir sofort auffiel, dass sie wieder das offenherzige Kleid angelegt hatte. Unter dem Arm trug sie ein enorm dickes Buch, das ich beim zweiten Hinsehen anhand des Aufdrucks als Bibel identifizierte.
»Du kannst mir ruhig auch so mitteilen, was du mir zu sagen hast«, erklärte ich, würdevoll zur Seite blickend. »Ich werde dich nicht unzüchtig anstarren und schwöre es notfalls auf diese Bibel da.«
»Du musst trotzdem die Augen schließen«, verlangte sie.
»Willst du mich schlagen?«, fragte ich misstrauisch.
»Nein. Nun mach schon die Augen zu.«
Achselzuckend tat ich es, in der vagen Befürchtung, sie könne mir möglicherweise einen Streich spielen, auf den ich schon einmal hereingefallen war, mit ungefähr fünf, als ein Spaßvogel namens Piero, der ein oder zwei Jahre älter war als ich, mir versprochen hatte, mich von seinem Kuchen abbeißen zu lassen. Ich müsse dazu nur die Augen schließen und weit den Mund aufmachen. An dem Klumpen Matsch, mit dem Piero mich sodann fütterte, hatte ich noch Stunden später würgen müssen. Bereits im Jahr darauf hatte ich mich stark genug gefühlt, um es ihm heimzuzahlen. Ich drückte ihm bei einer Rauferei nach dem Kirchgang das Gesicht so lange in eine Pfütze, bis Pfarrer Anselmo mich am Hosenboden packte und mir die Ohren lang zog.
Selbstverständlich konnte ich Elena nicht in eine Pfütze werfen. Überhaupt dürfte es sich sehr schwierig gestalten, ihr irgendwelche Gemeinheiten im Stile Pieros adäquat heimzuzahlen. Deshalb sollte ich diesen Blödsinn gar nicht erst mitmachen. Womit sich, zum Teufel auch, die Frage erhob, warum ich es tat.
Verärgert über mich selbst riss ich die Augen wieder
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