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Der König Der Komödianten: Historischer Roman

Titel: Der König Der Komödianten: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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sonst genutzt?«, wollte Elena von Razzi wissen. »Es sieht aus, als würde es schon lange leer stehen.«
    »Einst lebte ein Verwandter von Messèr Morosini hier«, sagte Razzi. »Der starb jedoch vor etlichen Jahren. Kurz danach auch dessen Gattin. Seither ist das Haus unbewohnt.«
    Sein Blick fiel auf mich und irrte dann ab. Schon in der Herberge und während der Gondelfahrt war es mir so vorgekommen, als würde er mich heimlich beobachten.
    Mein Unbehagen verstärkte sich, als ich Elenas misstrauischen Gesichtsausdruck bemerkte: Sie traute Morosini und seinem Adjutanten keinen Schritt weit über den Weg, eine Empfindung, die ich so nachhaltig teilte, dass ich den Worten, die sie mir auf der Rückfahrt zur Herberge zuflüsterte, nur zustimmen konnte.
    »Etwas ist faul an dieser Sache.«

    Etwas ist faul in dieser Stadt der Kanäle , schrieb ich in einen Monologentwurf zu einer Szene im zweiten Akt meines neuen Stücks. Leandro war derjenige, der diese Worte sprach, voller Argwohn wegen der scheinbar selbstlosen Freundlichkeit, mit der ein einflussreicher Venezianer ihm Unterschlupf in einem leer stehenden Haus anbot.
    Henry, der sich nach Erledigung diverser Geschäfte wieder in der Herberge eingefunden und mit uns im Schankraum das Vespermahl eingenommen hatte, äugte mir über die Schulter. »Faul? Du meinst, faul wie ein fauler Arbeiter?«
    »Nein, faul wie ein fauler Apfel. Verfault, verrottet.«
    »Ah, das Wort kennen wir in England auch.« Er ließ es in abgewandelter Form auf der Zunge zergehen. »Etwas ist faul im Staate England … Welch dunkle, unheilvolle Wendungen das ahnen lässt! Mein Freund Will würde so eine Formulierung lieben!« Interessiert überflog er die oberste Seite meiner Notizen. »Was genau hält Leandro denn für faul?«
    »Er weiß es noch nicht, ahnt jedoch, dass etwas nicht stimmt«, antwortete Elena an meiner Stelle. »Es ist nur so ein Gefühl, aber er nimmt es ernst.« Sie saß zu meiner Linken und hatte ebenfalls den einen oder anderen Blick über meine Schulter gewagt, was ich nach vereinzelten Impulsen, meinenWasserkrug zwischen ihre Nase und mein Papier zu stellen, mittlerweile sogar halbwegs gelassen erdulden konnte.
    »Weiß Leandro denn inzwischen, dass er einen Bruder in Venedig hat?«, fragte Henry.
    »Die Szene, in der er seinem Doppelgänger Flavio zum ersten Mal begegnet, muss ich noch schreiben«, sagte ich. »Leandro wurde jedoch schon von mehreren Leuten mit Flavio verwechselt, was zu komischen Situationen geführt hat.«
    Tatsächlich hatte ich im Laufe des Nachmittags einige Lazzi ersonnen und zu Papier gebracht. Elena hatte darauf gedrängt, dass ich mich wieder ans Schreiben machte, da in den kommenden Tagen bereits die Proben beginnen sollten. Mit den drei Stücken, die derzeit das gesamte Repertoire der Incomparabili bildeten, werde dem Publikum bei Weitem nicht genug Abwechslung geboten. Elena hatte betont, dass ich unmittelbar nach diesem Stück schon mit dem nächsten anfangen müsse. Für ein ordentliches Programm, so erklärte sie, müssten mindestens sechs Stücke zur Verfügung stehen, jeden Tag in der Woche ein anderes. Die Fedeli, so hob sie hervor, spielten in einer Saison bis zu zehn verschiedene Stücke im steten Wechsel.
    Folglich spitzte ich meine Feder und schrieb fleißig, darauf hoffend, bald mit der Rohfassung fertig zu werden. Danach wären Feinheiten auszuarbeiten und für die einzelnen Schauspieler Abschriften des Canovaccio unter besonderer Hervorhebung der jeweiligen Rolle anzufertigen, damit jeder für sich seinen Teil verinnerlichen und dazu passende Sprechtexte einstudieren konnte. Die Improvisation, so erklärte es mir Elena, wurde zwar im Sinne der Stegreifkunst gern hochgehalten, aber sie taugte nur dann etwas, wenn ein Schauspieler genau wusste, was er sagen sollte. Hierzu wiederum musste er nicht nur haarklein seine Rolle kennen, sondern auch das ganze Stück.
    Rodolfo kam mit Stiefelgepolter in den Schankraum, ein einziges kompaktes Kraftbündel, so breit wie hoch. »Unsere Aufgabe ist erfüllt. Cipriano und ich haben alle, die wir in derkurzen Zeit erreichen konnten, von der bevorstehenden Aufführung in Kenntnis gesetzt.« Er bedachte Franceschina, die zur Vesper ein Stück Schinken von der Größe eines Huts vertilgt hatte, mit scheuem Blick. »Ich erwähnte eigens und mit besonderer Eindringlichkeit die unglaublichste Jongleurin aller Zeiten.«
    Erfreut lächelte sie Rodolfo zu. »Das tatet Ihr wirklich?«
    Er legte sich die

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