Der König Der Komödianten: Historischer Roman
prankenartige Rechte auf die lederbewehrte Brust. »So wahr ich hier stehe.«
Bernardo, der mir in leidlich nüchternem Zustand gegenübersaß, gab ein Knurren von sich, das in meinen Ohren klang wie dämlicher Zwerg . Außer mir achtete zum Glück niemand darauf, denn er brummelte ohnedies die ganze Zeit. Seit dem Abtragen der Teller las er nämlich zu meinem großen Verdruss meine fertig beschrifteten Bögen und sparte nicht mit gemurmelten, aber vernichtenden Kommentaren, von: »Ein Liebeslied bei Mondenschein in der Gondel?« – (angedeutetes Würgen) – und: »Man reiche noch einen Löffel Schmalz dazu!« über: »An dieser Stelle sollte der Kerl sie aber dann auch verdammt noch mal endlich küssen!« bis hin zu: »Was ist das für ein stumpfsinniger Dialog, soll der etwa komisch sein?«
Bei dieser letzten Bemerkung zuckte ich zusammen, verkniff mir aber jeden Widerspruch. Niemand sollte mir nachsagen, ich sei nicht kritikfähig!
Cipriano betrat den Schankraum, das goldene Haar verschwitzt vor Anstrengung. »Ich bin zum Ausrufen unserer Vorstellung auf so viele Brunneneinfassungen und Kanalmauern gestiegen, dass ich irgendwann aufhörte, sie zu zählen! Es gibt mehr Campi in Venedig, als ich mir je hätte vorstellen können. Und dabei waren wir nur im Sestiere 24 San Marco!« Er breitetedie Arme aus. »In dieser Stadt leben so unendlich viele Menschen, dass wir jahrelang auftreten können, ohne zwei Mal vor demselben Publikum zu spielen!« Fröhlich blickte er in die Runde. »Sind alle so weit? Können wir aufbrechen? Unsere erste Aufführung in der Serenissima beginnt in einer Stunde! So lasst es uns wagen, meine mutigen Incomparabili, denn nur wer wagt, gewinnt!«
Die Kostüme und sonstigen Requisiten befanden sich bereits vor Ort, ebenso wie alle anderen Besitztümer der Truppe. Cipriano und Rodolfo hatten vor ihrem Ankündigungsrundgang alle Habseligkeiten der Incomparabili mit einem gemieteten Boot zu dem alten Palazzo geschafft.
Für die Vorstellung war nicht viel vorzubereiten, weil wir keine Bühne aufbauen mussten – das war für die nächste Aufführung vorgesehen, da wir zuerst ausreichend Kisten und Bretter für das Podium beschaffen mussten. Wir steckten lediglich Kerzen in die Wandkandelaber und verspannten zwischen zwei Säulen Elenas Seil, das nicht nur für ihre artistische Darbietung bestimmt war, sondern auch als Abgrenzung zu dem Bereich diente, in welchem sich die Zuschauer aufhalten würden – jene, die frühzeitig kamen, im vorderen Teil, die anderen, je nach dem Zeitpunkt ihres Eintreffens, weiter hinten. Meine Aufgabe bestand nicht nur darin, das Eintrittsgeld zu kassieren, sondern ich musste auch darauf achten, dass kein unziemliches Gedränge entstand, dass niemand gotteslästerlich fluchte, in die Ecken urinierte, in besoffenem Zustand andere Anwesende belästigte, die Schauspieler auf obszöne Weise beleidigte oder ihnen heimlich beim Umkleiden zusah.
Ich hatte nicht vergessen, dass Elena mir für diesen Tag noch eine Überraschung angekündigt hatte. Seither hatte ich die eine oder andere wilde Spekulation darüber angestellt, undkeine davon war angenehm. In plastischen Einzelheiten malte ich mir aus, was Elena unternehmen würde, um mich vor den anderen lächerlich zu machen, zur Strafe, weil ich sie auf ungehörige Weise angestarrt hatte.
Sie schien zu ahnen, was mir durch den Kopf ging, denn sie musterte mich betont beiläufig, gerade so, wie ich sie am Vormittag beobachtet hatte – aus den Augenwinkeln. Damit stürzte sie mich in Verlegenheit, obwohl sie in ihrem Kostüm wieder wie ein geschlechtsloses Kind aussah. Sie hatte ihr Seiltänzerinnengewand angelegt und das Haar zu einem festen Zopf geflochten. In einer einzigen fließenden Bewegung erklomm sie das Seil und begann mit ihren Übungen.
Ich widerstand dem Impuls, ihr zuzuschauen, und wandte meine Aufmerksamkeit den anderen zu, die sich ebenfalls für die Vorstellung umgezogen hatten.
Caterina und Cipriano übten gemeinsam ihre Tanzschritte, und Bernardo stolzierte im Capitano-Kostüm kreuz und quer durch den Saal und murmelte seinen Rollentext vor sich hin. Franceschina jonglierte zuerst mit fünf und dann mit sieben kleinen Lederbällen, wobei ihr Rodolfo aufmerksam zusah. Bernardo, dem das nicht entging, verhielt mitten im Schritt. »He, du Zwerg! Hast du nichts Besseres zu tun als faul herumzustehen und Franceschina anzugaffen?«
»Wäre es dir lieber, wenn ich mich um dich kümmere?«, gab Rodolfo
Weitere Kostenlose Bücher