Der König Der Komödianten: Historischer Roman
erst zur Vesper warm essen«, sagte Franceschina.
»Daran erinnere ich mich nicht.«
Achselzuckend legte sie ihren Umhang ab und machte sich am Herd zu schaffen.
Rodolfo war weniger zurückhaltend. »Du hast dir die Nase mit Schnaps begossen, da löst sich die Erinnerung leicht im Nebel des Suffs auf.«
»Du dreister Gnom!« Bernardo erhob sich, die Hand in drohender Gebärde am Waffengurt. Rodolfo straffte sich angriffslustig, doch die Auseinandersetzung war vorbei, bevor sie richtig begonnen hatte, denn Bernardo verzog schmerzerfüllt das Gesicht, sank auf den Schemel zurück und griff nach seiner Schulter.
»Meine Güte, was ist mit dir?« Franceschina ließ sämtliche Kochutensilien fahren und eilte zu Bernardo an den Tisch. Besorgt beugte sie sich über ihn. »Lass sehen!«
»Es ist nichts«, ächzte er, wobei er das Kunststück fertigbrachte, zugleich tapfer und jammervoll dreinzuschauen.
»Die Wunde hat sich bestimmt entzündet!« rief sie, während sie sein Hemd zur Seite zog und vorsichtig den Verband anhob, um die Verletzung zu betrachten. »Ich hatte dich angefleht, du mögest dich schonen! Aber du musstest ja unbedingt gestern schon wieder auftreten!«
»Ich konnte doch den Part des Capitano unmöglich diesem Zwerg überlassen!«
»Rodolfo hätte die Rolle gewiss gemeistert«, widersprach Franceschina. »Er versteht sich auf alle Belange des Theaters und ist ein umsichtiger, kluger Mann!«
Anstelle einer Antwort stöhnte Bernardo abermals auf, ob vor Wut oder vor Schmerzen, war schwer zu sagen.
»Mach es am besten wie Baldassarre«, empfahl Cipriano ihm. »Leg dich für eine Stunde zu einem Mittagsschläfchen nieder.«
Dann warf er mir einen anerkennenden Blick zu, denn ihm war ein gewisses Detail an meiner Aufmachung nicht entgangen. »Marco, du trägst ja ein richtiges Schwert!«
Ich reckte mich stolz. »Es ist ein französisches Rapier. Rodolfo hat es mir geschenkt.«
»Lass sehen!«
Ich zog blank und hielt das Rapier so, dass sich das einfallende Sonnenlicht in der Klinge spiegelte.
»Donnerwetter«, sagte Cipriano beeindruckt. »Scharf wie ein Rasiermesser!«
»Fragt sich, ob der grüne Bengel überhaupt damit umgehen kann«, sagte Bernardo missmutig. »Wenn er so ficht wie er dichtet, muss er sich auf ein kurzes Leben einrichten.«
Es drängte mich, ihm ein Übungsgefecht vorzuschlagen, doch in diesem Moment kam Elena in die Küche, und augenblicklich waren mir alle Schwerter dieser Welt gleichgültig. Mein Herz raste wieder genauso heftig wie in der vergangenen Nacht, als sie auf ihrer Bibel gestanden und mich geküsst hatte.
Meinem Rapier gönnte sie nur einen flüchtigen Blick, doch ich meinte, deutliche Nervosität in ihrem Gesicht zu erkennen.
Doch nicht ich war der Grund für ihre Aufregung. »Großvater ist verschwunden. Vor einer Stunde lag er noch friedlich schlafend oben in seinem Bett, aber als ich vorhin nach ihm schaute, war er weg!«
»Herrjemine!« Cipriano stand auf. »Da hilft wohl nichts außer Suchen!«
Wir teilten uns auf. Rodolfo und Cipriano wollten dasSestiere in Richtung Castello abgehen, und Elena und ich begaben uns in Richtung Rialto, weil ich mich nach meinem Ausflug mit Baldassarre dort besser als andernorts in der Stadt auskannte und überdies bereits eine Vorstellung davon hatte, wo er sein könnte.
Ich trottete neben Elena her und hatte das Bedürfnis, etwas zu sagen, egal was – nur fiel mir nichts ein. Sie selbst war ebenso schweigsam, doch ich bemerkte, dass sie mich hin und wieder von der Seite ansah, genauso wie ich sie.
»Du hast ein Schwert«, sagte sie schließlich.
Ich widerstand dem Drang, das Rapier zu zücken, um ihr den präzisen Dreikantschliff vorzuführen. Sie war ein Mädchen, und als solches hatte sie gewiss kein Interesse an Waffen.
»Rodolfo hat es mir geschenkt«, sagte ich daher nur.
»Es passt sehr hübsch zu dem ledernen Harnisch.«
Der modische Aspekt an dem Schwert war mir bislang völlig entgangen, deshalb konnte ich auch hierzu nichts sagen und blieb lieber stumm.
Nach einer Weile meinte sie: »Was ist eigentlich mit dem Buch?«
»Mit welchem Buch?«
»Das, was ich gestern im Innenhof vergaß.«
Mein Gesicht brannte. »Ich nahm deine Bibel mit in meine Kammer, dort liegt sie noch. Ich gebe sie dir, sobald wir zurück sind.«
»Es ist gar keine Bibel. Wäre es eine Bibel, wäre das, was ich damit getan hätte, Blasphemie.«
»Es steht aber Bibel darauf«, sagte ich töricht.
»Nicht alles ist das, wonach
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