Der König Der Komödianten: Historischer Roman
umbringen. Männer, die das tun, sind mir ein Gräuel.« Von den brennenden Fackeln war sie wieder zu Lederbällenübergegangen und fing sie abwechselnd vor und hinter ihrem Körper auf, was mich erneut zum Staunen und Rodolfo zu überschwänglichen Lobeshymnen hinriss. Dann räusperte er sich und meinte: »Manchmal geht es nicht anders, als jemanden umzubringen.«
»Zum Beispiel in Notwehr«, pflichtete ich ihm bei. »Oder im Krieg.«
»Nur wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um«, sagte Franceschina kategorisch.
»Für manche Gefahren kann ein Mann nichts«, wandte Rodolfo ein. Es klang, als wollte er sich entschuldigen.
»Papperlapapp.« Sie packte die Bälle weg und kramte in dem Proviantkorb herum, den wir mitgenommen hatten. »Hat jemand Hunger?« Sie holte eine Dauerwurst heraus und biss ein gewaltiges Stück davon ab.
Einträchtig nahmen wir ein zweites Morgenmahl zu uns und labten uns an Wurst, Brot, Käse und einigen Schlucken aus einem Krug mit verdünntem Wein. Anschließend lehnte Franceschina sich mit dem Rücken gegen einen Felsen und döste ein.
Ich war ebenfalls müde, doch Rodolfo winkte mich zu sich. »Dass die Büchse nicht ganz deinem Naturell entspricht, ahnte ich schon. Deshalb habe ich genau das Passende für dich dabei.« Aus der mitgebrachten Waffenkiste zog er ein langes, im Sonnenlicht funkelndes Rapier. Ehrfürchtig betrachtete ich es und schluckte, weil es exakt so aussah wie das Schwert, das ich mir schon lange wünschte, von dem ich jedoch weiter entfernt war denn je. Sobald mich die Incomparabili wegen Untauglichkeit hinauswarfen, hatte ich keine Einkünfte mehr. Ohne Einkünfte wiederum hatte ich kein Geld, und ohne Geld gab es kein Schwert, erst recht keines wie dieses.
»Es gehört dir«, sagte Rodolfo.
Fassungslos starrte ich ihn an.
»Nimm es.« Er führte meine Hand an den Griff, der voneinem filigran gearbeiteten Gitterkorb geschützt war. »Ich habe es von einem Franzosen, der es nicht mehr braucht.«
»Dieses Schwert? Nicht mehr brauchen?« Ich glaubte ihm kein Wort.
»Na ja, er ist tot.«
»Äh … Hast du …?«
Er wandte sich rasch zu Franceschina um, aber die schlief tief und fest. »Ich sagte doch, manchmal geht es nicht anders«, sagte er mit gedämpfter Stimme. »Für mich ist das Schwert viel zu lang, aber für dich ist es ideal.«
Er hatte recht. Ich wog es in der Hand und fand es perfekt ausbalanciert, fast wie eine natürliche Verlängerung meines Arms. »Was willst du dafür haben?«
»Nichts«, sagte er entrüstet. »Was für ein Christ wäre ich, das Schwert eines wackeren Soldaten zu verscherbeln, nur weil ich ihm zuvor umständehalber den Arm abhacken musste, mit dem er es führte!«
Diese spezielle Herkunft machte das Geschenk nicht seriöser, im Gegenteil, doch ich brachte es nicht über mich, die unverhoffte Gabe zurückzuweisen. Zu sehr hatte ich mich nach einer solchen Waffe gesehnt!
In vorschriftsmäßiger Kampfhaltung übte ich gegen einen imaginären Gegner alle Hieb- und Stichtechniken, die ich von Onkel Vittore gelernt hatte, und der Unterschied zu dem früher benutzten Holzschwert war in etwa so umfassend wie derjenige zwischen dem abgeschabten alten Sàndolo dort drüben und der goldenen Prunkbarke des Dogen.
Beseligt schwang ich meinen persönlichen Bucintoro durch die Luft. Meine Euphorie erreichte ungeahnte Höhen. Dieser Tag war der schönste meines Lebens!
»Du bist der geborene Fechter«, sagte Rodolfo.
Mitten in einer Riposte hielt ich inne. »Trotzdem verstehe ich nicht, wieso du mir einfach ein solches Schwert schenkst.«
»Weil du es vielleicht einmal brauchen kannst.«
Bevor ich diese kryptische Verlautbarung hinterfragen konnte, wachte Franceschina auf, und angesichts ihres missfälligen Gesichtsausdrucks beeilte ich mich, meine neue Waffe in der dafür bereitliegenden Scheide zu verstauen und einstweilen in der Kiste zu belassen.
Während der Rückfahrt malte ich mir aus, welchen Eindruck es auf die übrigen Truppenmitglieder machen würde, wenn ich, gegürtet mit dem Rapier, das nächste Mal in der versammelten Runde erschien. Endlich würden mich alle für voll nehmen!
Meine frisch erwachte Souveränität schrumpfte beträchtlich, als Franceschina eine Bemerkung über die am Nachmittag anstehenden Proben fallen ließ. Was nützte mir das prächtige Schwert, wenn ich mit einem Bühnenstück ankam, das mehr Löcher hatte als alter Käse!
Voller Gewissensbisse ging ich daran, weitere Szenen für den zweiten
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