Der König Der Komödianten: Historischer Roman
Elena heute Caterinas Rolle übernehmen sollte. Caterina war noch immer nicht zurückgekehrt, und jemand musste für sie einspringen. Franceschina kam wegen ihrer Statur nicht als Nymphe infrage, und Cipriano schied aus, weil er in mehreren Szenen als Götterbote einen gemeinsamen Auftritt mit der Quellgöttin hatte.
»Hätten wir Caterina nicht suchen müssen?«, fragte ich Elena. »Sie könnte sich verlaufen haben!«
Elena äugte von schräg unten zu mir hoch. »Du scherzt.«
»Aber nein! Ich habe mich doch gestern auch verirrt! Das kann uns allen passieren!«
»Geh einfach davon aus, dass es ihr gewiss nicht passiert.Wo immer sie ist – männlicher Schutz ist nicht weit. Anderenfalls wäre sie längst wieder hier. Dass sie es nicht ist, finde ich übrigens ziemlich rücksichtslos. Sie weiß genau, dass gleich die Vorstellung beginnt!«
»Du kannst Caterina einfach nicht leiden«, hielt ich ihr vor. »Und das völlig ohne Grund!«
Elena wandte sich wortlos ab und begann mit Dehnübungen für ihren Seiltanz.
Meine Sorge um Caterina hielt an, und ich fragte Cipriano, ob es nicht angebracht sei, sie zu suchen, doch er äußerte sich ähnlich ablehnend wie Elena, wenn auch nicht ganz so unfreundlich.
»Sie wird schon wiederkommen«, sagte er. »Je später, desto besser, denn dann ist der Ärger mit Bernardo noch eine Weile hinausgeschoben.«
Schon vor dem Kompletläuten drängten sich draußen die Besucher. Die ersten zehn ließ ich, wie am Vorabend versprochen, mit jeweils einer Begleitperson ein, die nichts zahlen musste, und Rodolfo reichte unter diesen Besuchern einen Weinschlauch herum. Wir hatten nicht genug Becher, aber die Leute tranken auch gern aus dem Schlauch, zumal ein paar von ihnen auf diese Weise gut und gerne das Doppelte von dem herunterkippten, was in einen Humpen gepasst hätte.
Wieder mussten wir einer Anzahl von Besuchern die Tür weisen, als der Saal voll war, und auch diese schickten wir mit der Zusage fort, dass die ersten von ihnen zur nächsten Vorstellung kostenlos jemanden mitbringen und Wein trinken durften.
Wie immer begannen die Incomparabili ihren Auftritt mit Tanz, Gesang und artistischen Darbietungen. Es fiel nicht weiter auf, dass Caterina nicht dabei war, denn Franceschina machte deren Fehlen durch das Jonglieren mit brennenden Fackeln mehr als wett. Die Zuschauer staunten um die Wette, und hier und da wurden gar Rufe der Begeisterung laut.
»Bravo!«, schrie ein Mann. »Das ist höchste Kunst!«
»Vor allem, wie die Titten dabei wackeln«, pflichtete ein anderer ihm bei.
Franceschina verneigte sich und blickte dann glücklich zu Rodolfo hinüber, der in der offenen Tür zum Requisitenraum stand und heftig applaudierte.
Das eigentliche Stück – es hieß Der Bannstrahl aus dem Olymp – begann sodann mit der Ansage Baldassarres, der sich, nachdem ich ihn mit der Winde herabgelassen hatte, als Zeus vorstellte und in gefälligen Reimen viele dramatische sowie tragische Verstrickungen der Liebe zwischen Göttern und Sterblichen ankündigte.
Während ich ihn im Schutz der Säule und des Tuchs wieder hochhievte, hatte Elena ihren Auftritt als Quellnymphe, und ich spürte, wie mir der Hals trocken wurde, als ich sie in dem dünnen, fließenden Gewand vortreten sah, das sonst Caterina trug. War es vorher auch schon so weit ausgeschnitten gewesen?
Hinter mir waren anerkennende Bemerkungen zu hören.
»Viel dran ist ja nicht an ihr, aber das bisschen ist tadellos in Form.«
»Genau, ein leckeres kleines Ding mit leckeren kleinen Äpfelchen«, sagte jemand unmittelbar hinter mir, derselbe, der vorhin die Bemerkung über Franceschinas Busen gemacht hatte.
Ich fuhr herum und erblickte einen feisten, rotgesichtigen Kerl, der mindestens dreimal so alt war wie Elena. Mit einem Ruck packte ich seine Hemdbrust und hielt ihm meine Faust vor die Nase. »Noch eine Beleidigung dieser Art, und du wirst es bereuen!«
Er schielte auf mein Rapier und behauptete, er hätte es als Kompliment gemeint. Widerwillig ließ ich ihn los und kämpfte gegen den Drang an, alle Männer hinauszuwerfen, die älter als zehn und jünger als neunzig waren.
Während Elena auf dem Felsen bei der Quelle (einer mit Tuch bedeckten Kiste) saß und ein Lied von der Sehnsucht nach Liebe anstimmte, kehrte immerhin Stille ein, weshalb ich auch sofort bemerkte, dass sich Unbefugte über die Innentreppe Zutritt verschafft hatten. Ich eilte zum Portikus – und rannte fast in Caterina hinein.
»Habt ihr ohne mich
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