Der König Der Komödianten: Historischer Roman
widersprechen.
Bei Anbruch der Dunkelheit war es ruhig im Haus, alle hatten sich für die Nacht zurückgezogen. Ich selbst saß im Schein einer Stundenkerze auf meinem Strohsack, das Lavendelkissen vor der Brust. Lederharnisch und Schuhe hatte ich abgelegt, Hemd und Beinkleider der kühlen Nachtluft wegen jedoch anbehalten.
Eine Zeit lang hatte ich geschrieben und am zweiten Akt gefeilt, doch mir wollten keine zündenden Ideen für die Mitte des Stücks kommen – für die Begegnung Leandros mit seinem Ebenbild Flavio. Sollten die beiden einander zufällig treffen? Und was würden sie dann sagen? Wie würden sie nach dem ersten Gespräch verbleiben? Wäre damit nicht viel an Spannung und Verwirrung vorweggenommen, die noch für den letzten Akt nötig waren?
Antworten auf diese Fragen fielen mir keine ein. Daher sann ich verstärkt darüber nach, wie man die Konflikte zwischen Leandro und Aurelia noch besser herausarbeiten konnte. Schließlich handelte es sich bei dem Stück nicht nur um eine Verwechslungskomödie, sondern auch um eine Liebesgeschichte.
Auch hier kam ich jedoch kaum weiter. Ich hatte zwei Entwürfe für eine Szene zwischen Leandro und Aurelia niedergeschrieben und sie wieder durchgestrichen. Auf der Rückseite des auf diese Weise verhunzten Blattes hatte ich mich erneut des Sonetts angenommen, mit dem ich immer noch nicht ganz zufrieden war, vor allem nicht, nachdem Bernardo und die anderen es lustig gefunden hatten. Nach wie vor war ich der Meinung, dass Leandro für seine Angebetete ein ernst zu nehmendes Gedicht schreiben sollte.
Das Ergebnis meiner neuerlichen Bemühungen um aussagekräftige Reime las sich jedoch für mich nur unwesentlich gelungener als die vorangegangene Version.
Wie soll ich es Aurelien nur sagen,
Dass mich ihr enges grünes Kleid betört.
Dass keine and ’re mich wie sie betört!
Dass all mein Sehnen ihr allein gehört!
Wie soll ich dieses Unterfangen wagen?
Wenn nun statt Freude Spott ich ernten würde,
Gesetzt den Fall, sie nähm’ es gar als Scherz!
Das schnitte mir ganz fürchterlich ins Herz
Ich ahne schon des Hohnes schnöden Schmerz!
Wie soll ich überwinden diese Hürde?!
Für die beiden noch fehlenden Dreizeiler hatte mir am Ende schlicht die Inspiration gefehlt, was nicht zuletzt daran lag, dass mir die Verabredung mit Elena nicht aus dem Kopf gehen wollte. Mittlerweile war ich davon überzeugt, dass sie sich anders besonnen hatte, weil ihr schauspielerischer Ehrgeiz verflogen war und sie deshalb auch das Küssen nicht mehr üben wollte. Oder weil sie böse auf mich war. Oder beides zusammen.
Die unvermutete Rückkehr Caterinas hatte Elena verärgert, das war mir nicht entgangen. Zugleich hatte ich ihr aber auch die Erleichterung angemerkt, als Caterina die Rolle der Nymphe wieder übernahm. Anscheinend wusste sie selbst nicht so recht, was sie wirklich wollte.
Aus diesem emotionalen Widerspruch sollte ein Mensch schlau werden!
Jedenfalls rechnete ich nicht mehr damit, dass Elena noch herunterkam. Ihr Sinneswandel frustrierte mich, ohne dass ich einen Grund dafür benennen konnte. Gleichzeitig fiel mir aberauch ein gewaltiger Stein vom Herzen, und dafür kannte ich den Grund: Ich hatte eine Heidenangst vor der Küsserei!
Auch das war ein emotionaler Widerspruch, wie ich mir selbst gegenüber zugeben musste, und so dämmerte mir auch, dass Enttäuschung und Erleichterung über ein und dieselbe Sache sehr wohl zusammenpassten. Mit dieser erstaunlichen Erkenntnis legte ich mich nieder und sprach im Stillen mein Nachtgebet, wie ich es von klein an gewohnt war, in der Hoffnung, es werde mich wie immer in den Schlaf lullen.
Zwei Zeilen vor dem Amen ließ ein leises Pochen an der Tür mich hochfahren. Ich sprang auf und stolperte über mein neben dem Strohsack liegendes Schwertgehenk, dann über meine Schuhe und zuletzt über den Hocker, auf dem die Stundenkerze stand. Ein Poltern, und schlagartig war es dunkel im Zimmer, aber ich fand sofort die Tür und riss sie auf. Umschwebt vom Schein eines Windlichts, stand Elena vor mir.
Augenblicklich begann mein Herz im selben Tempo zu wummern wie in der letzten Nacht, als sie mit der Bibel unterm Arm im Innenhof aufgetaucht war. Diesmal hatte sie kein Buch dabei, wie ich am Rande registrierte. Aber wie sollte es ohne das Buch gehen?
Mitten hinein in meine abstrusen Überlegungen flüsterte Elena: »Sie schlafen alle. Wir können los!«
»Gut«, krächzte ich und folgte ihr, als sie vorausging. Nach ein
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