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Der König Der Komödianten: Historischer Roman

Titel: Der König Der Komödianten: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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seinen Rollen in dem neuen Stück, denn er empfand es, wie er sagte, als besondere schauspielerische Herausforderung, gleich drei Figuren zu verkörpern und jeder ein eigenes Gesicht zu geben.
    Cipriano hatte sich umgezogen, doch auf seinen Wangen lag noch ein Hauch rosa Schminke, was indessen niemanden zu stören schien, vor allem nicht Henry, der neben Cipriano saß und an dessen Lippen hing, egal, was dieser sagte. Der Engländer wäre am liebsten bei uns eingezogen, wie er bekannte. Nichts habe ihn je so sehr beeindruckt wie die Bühnenkunst, kein Leben sei bunter und vielfältiger als das der Schauspieler und Artisten. Käme er noch einmal auf die Welt, so wolle er sein Dasein von Anbeginn an ausschließlich dem Theater verschreiben.
    »Leider bin ich nur ein ganz gewöhnlicher Geschäftsmann«, sagte er seufzend. »Weiter weg von der Bühne geht es kaum.«
    »Nicht doch«, widersprach Baldassarre. »Geschäft und Theater liegen sogar sehr nah beieinander. Das ganze Leben ist eine Bühne! Frauen und Männer sind nur Spieler, sie treten auf und gehen wieder ab. Ein Mensch spielt sein Leben lang viele Rollen.«
    »Mit welch eindringlicher Weisheit Ihr sprecht!«, meinte Henry bewundernd. »Ich sollte es notieren, damit ich es nicht vergesse. Aber ich fürchte, bis ich das nächste Mal Papier und Tinte zur Hand habe, entsinne ich mich nicht mehr des Wortlauts.«
    »Lasst es Euch von Marco aufschreiben, der vergisst nichts. Marco, weißt du noch? Du erwähntest es, als wir die Verse über Don Juan de Austria und den tapferen einhändigen El Manco reimten.«
    Ich nickte unangenehm berührt, aber noch peinlicher wurde es, als er zum Beweis meines guten Gedächtnisses verlangte, ich möge das Gedicht hersagen.
    »Die beiden letzten Zeilen hat Marco ganz allein gedichtet«, merkte Baldassarre an.
    Dass er ausgerechnet das noch wusste! Ob er immer nur das vergaß, was er vergessen wollte?
    »Nun sag es schon auf«, forderte er mich auf.
    Widerstrebend leierte ich die Verse herunter. »Kanonen donnern, splitternd brechen Wanten. El Manco stehet aufrecht an der Rah, bis wir die Türken endlich überrannten, der letzte Halbmond abgefackelt war. Juan de Austria will die Hand ihm reichen, da sah er, dass nur eine übrig war.«
    Elena kicherte, und Cipriano prustete in seinen Becher. Rodolfo erklärte grinsend, es seien sehr bildreiche Verse, man sehe förmlich das Blut aus El Mancos Armstumpf triefen, worauf Bernardo meinte, dass sich bei entsprechender Betonung die Dramatik noch steigern ließe. Wie zum Beweis wiederholte er mit viel Timbre in der Stimme das Gedicht und erntete damit allseitige Heiterkeit, so wie anschließend mit meinem Sonett für Aurelia, das er in donnernder Tonlage deklamierte.
    »Aber das alles ist nichts gegen die Reime, die Marco den Herbergsleuten verehrt hat«, fuhr Bernardo fort. Und dann gab er zur Belustigung der Tischrunde die Version der unartigen Söhne zum Besten, bis alle sich vor Lachen bogen.
    Der ganze Spaß ging zwar auf meine Kosten, aber ich lachte dennoch aus vollem Herzen mit, denn es war einfach zu komisch.
    Dabei merkte ich, wie Bernardo mich von der Seite musterte. »Weißt du was, Marco? Eigentlich bist du ein guter Junge.«

    Der Zeitpunkt der abendlichen Aufführung rückte näher, und so machten sich die Schauspieler daran, sich für die Vorstellung zu kostümieren. Ich zündete unterdessen die Kerzen an, spannte mit Rodolfo das Seil und kümmerte mich um die anderen Requisiten. Dazu gehörte diesmal auch eine Winde, die Cipriano am Vormittag beschafft hatte und die ich bedienen sollte. Das Geheimnis dieser Vorrichtung hatte ich rasch gelüftet. Sie bestand aus einem Seil, das an einem Deckenhaken befestigt wurde und über eine Rolle lief, wodurch die Kraft verstärkt wurde, die beim Heben oder Senken von Lasten aufzuwenden war. Mit der Winde wurde ein Brett nach oben gezogen oder von dort herabgelassen, je nachdem, ob die darauf sitzende Person zum Olymp emporfuhr oder gerade von dort kam. Besagte Person war Baldassarre in Gestalt des Göttervaters Zeus, der hinter einem von der Decke hängenden Tuch gleichsam vom Himmel herabsteigen würde: An diesem Abend sollte das mit griechischen Tragödienelementen inszenierte Mythenstück dargeboten werden.
    Elena war ungewöhnlich nervös, was ich zunächst auf unsere bevorstehende nächtliche Verabredung schob – jene war nämlich der Grund, warum ich mich selbst schon die ganze Zeit zittrig fühlte –, doch dann erfuhr ich, dass

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