Der König Der Komödianten: Historischer Roman
hellen Fackellicht war sie so begehrenswert, dass mir ein einziger Atemzug reichte, bevor ich mich wieder zu ihr neigte, um sie abermals zu küssen.
Helles Fackellicht?
Ich ließ Elena los und fuhr herum, die Hand am Schwertgriff. Vor mir stand Rodolfo, eine brennende Fackel in der Hand und ein halb reuiges, halb vorwurfsvolles Grinsen im Gesicht.
»Was musst du auch einfach verschwinden, ohne mir Bescheid zu sagen, Junge!«
Ich räusperte mich. »Wir wollten … uns über das neue Stück und Elenas Rolle unterhalten.«
Elena, die hinter eine Säule geflüchtet war, trat hervor, und ich bewunderte ihren undurchdringlichen Gesichtsausdruck, der in auffälligem Widerspruch zu ihrem aufgelösten Haar und ihrer verrutschten Bluse stand.
»Wir sollten besser zurückgehen«, sagte Rodolfo. »Die Nacht hat tausend Augen, besonders in Venedig. Hinter jeder Ecke kann ein Kerl mit einem Dolch stehen.«
Trotz des Zwischenfalls in der vergangenen Nacht fand ich, dass er maßlos übertrieb. Darüber hinaus war ich alt genug, um selbst zu beurteilen, welche Risiken ich eingehen konnte. Ich war kein wehrloser Knabe! Wie kam Rodolfo dazu, sich ungebeten zu meinem Hüter aufzuschwingen?
Während Elena und ich Rodolfo zur Ca’ Contarini folgten, wuchs mein Ärger über Rodolfos Einmischung, doch ich sprach kein Wort. Ich wagte nicht einmal, Elena anzusehen, die sich beharrlich einen halben Schritt hinter mir hielt.
Unsicherheit bemächtigte sich meiner, und ich begann michzu fragen, was zum Teufel ich vorhin getan hatte. Das war keine sittsame schauspielerische Übung gewesen, sondern ein Kuss von der Art, wie ihn Bernardo und Caterina getauscht hatten! Gleich einem sittenlosen Unhold hatte ich Elenas Vertrauen missbraucht und ihr roh meinen Willen aufgezwungen!
Die Unsicherheit wich handfestem Schuldbewusstsein, und zu diesem gesellte sich alsbald die nagende Sorge, was Elena jetzt von mir denken musste! Dass sie kein einziges Wort sagte, ließ mich das Ärgste vermuten.
Im Innenhof verriegelte Rodolfo die Pforte in der Außenmauer und zündete mit der Fackel ein bereitstehendes Talglicht an, während Elena mit gesenktem Kopf die Treppe zum Piano Nobile hinaufhuschte und gleich darauf im Inneren des Hauses verschwunden war.
Schweigend gingen auch Rodolfo und ich hinein. Trüb erhellte die Talgleuchte den langen Gang im Mezzà und verwandelte Rodolfos Schatten an der Wand in den eines Riesen.
»Schlaf gut«, sagte er vor meiner Kammer.
»Danke, gleichfalls«, erwiderte ich, im Geiste immer noch unter dem Sottoportego. Eines wusste ich sicher: Schlafen würde ich in dieser Nacht ganz bestimmt nicht mehr!
Hellwach marschierte ich in meiner Kammer auf und ab, den Kopf zum Bersten voll mit Empfindungen, die sich allesamt um den Kuss drehten.
Das Atmen fiel mir schwer, obwohl ich gleich nach meiner Rückkehr das kleine Fenster weit aufgerissen hatte, um frische Luft hereinzulassen. Die Sorge um meine mangelnde Sittlichkeit wurde rasch von neu erwachender Begierde verdrängt, allein die Erinnerung an den Kuss ließ mich wieder hart werden. In einer Aufwallung von Scham kniete ich mich hin und betete, so wie ich es immer tat, wenn Pater Anselmo mir meine Unkeuschheit im Namen des Herrn bei der Beichte vergeben hatte.
Doch vorbeugend halfen kein Ave-Maria und kein Vaterunser gegen den Trieb. So erlag ich schließlich der Versuchung, obwohl es sündig war und die Reinheit des Geistes schädigte. Ich würde bald wieder beichten gehen müssen, denn ich ahnte, dass es bei dem einen Mal nicht bleiben würde. Zu meiner Beschämung fühlte ich mich hinterher wie erlöst und sogar ein wenig müde.
Ich ging zum Fenster, um es zu schließen – und hielt inne. Auf dem Kanal glitt in unmittelbarer Nähe eine Gondel heran, der Bootsführer ein aufrechter dunkler Schatten auf der hinteren Abdeckung.
Im Licht der Bootslaterne sah ich in der Felze 27 ein bekanntes Gesicht: Es gehörte Adelina, dem Mädchen aus dem Badehaus. Auf ihren Zügen malte sich reines Entzücken, das offenbar dem neben ihr sitzenden Mann galt.
Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, denn er hatte es zwischen ihren gewaltigen Brüsten vergraben und machte sich dort stöhnend zu schaffen.
»Ich liebe dich!«, sagte Adelina.
Der Mann erwiderte nichts, jedenfalls nichts Verständliches, was nicht verwunderlich war, weil Adelina sein Gesicht mit beiden Händen gegen ihren Busen drückte.
»Aber du darfst nie wieder so gemein zu mir sein, hörst du! Mir erzählen,
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