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Der König Der Komödianten: Historischer Roman

Titel: Der König Der Komödianten: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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genug Konzentration für meine eigenen Probleme blieb, von denen ich zwei ernstliche zu beklagen hatte.
    Das erste war mein Doppelgänger (Zwillingsbruder?), an den ich in diesen Tagen oft dachte, beinahe so häufig wie an das zweite Problem – Elena. Oder genauer: unseren Kuss unter dem Sottoportego. Die Erinnerungen an beide Vorfälle brodelten beständig in mir.
    Dabei war es weitaus unangenehmer, an meinen Doppelgänger zu denken, denn unweigerlich kam mir dabei der grausame Kindesraub in den Sinn, von dem mir Rodolfo erzählt hatte.
    In der Zeit bis Himmelfahrt gab es zwei weitere Verwechslungen. Beim ersten Mal, kurz vor Beginn der abendlichen Vorstellung, trat ein geckenhaft gekleideter, stark angetrunkener Bursche vor mich hin, beäugte mich prüfend und lallte: »D-dachte, du bissaufder Terraferma, aber d-du bisses wirklich. Komisse Sachen hasdu d-da an. Was machsuhier?« Ohne meine Antwort abzuwarten, torkelte er weiter. Ich konnte meinen Posten an der Pforte nicht verlassen und sah frustriert zu, wie er um die nächste Ecke verschwand.
    Die zweite Verwechslung ereignete sich in der Kirche, wo ich gemeinsam mit den übrigen Truppenmitgliedern die Messebesuchte und beichten ging. Ich mochte den Priester. Sowohl Beichten als auch Messen dauerten bei ihm nur halb so lange, wie ich es gewohnt war, ein Umstand, der mich für ihn einnahm, denn für fromme Pflichten hatte ich von jeher nur beschämend wenig Inbrunst aufbringen können.
    Eines Tages, als ich von der Beichte kam, traf ich vor der Sakristei auf einen Patrizier, der sichtlich erstaunt wirkte, als er mich sah.
    »Seit wann geht Ihr in dieser Gemeinde zur Beichte? Ich dachte, San Giacometto sei Eure Hauskirche!« Er grinste und kniff ein Auge zu. »Oder habt Ihr Sünden begangen, die Euer langjähriger Beichtvater besser nicht erfahren sollte?«
    Bevor ich mit der Frage herausplatzen konnte, die ich mir nach der letzten Verwechslung für weitere Begebenheiten dieser Art zurechtgelegt hatte, wurde er vom Priester zur Beichte gerufen. Ich beschloss, zu warten, bis er wieder auftauchte. Vor dem Altar kniend, gab ich vor, im Gebet meine Sünden zu sühnen. In dieser unbequemen Haltung harrte ich annähernd eine Stunde aus und war schließlich davon überzeugt, dass der Patrizier alle nur denkbaren Todsünden auf dem Kerbholz hatte. Kein normaler Mensch konnte so lange beichten!
    Endlich öffnete sich die Tür zur Sakristei, doch nicht der Patrizier trat heraus, sondern der Priester, der sich befremdet zeigte, dass ich noch da war.
    Bevor er sich abermals zurückziehen konnte, fragte ich ihn nach dem Verbleib des Mannes und erfuhr, dass dieser längst gegangen sei. Wie ich beim Verlassen der Kirche herausfand, gab es eine Hintertür.
    Um den Patrizier ausfindig zu machen, hätte ich den Priester nach seinem Namen fragen können, doch mir fiel auf die Schnelle keine plausible Erklärung dafür ein, jedenfalls keine, die vertrauenswürdiger klang als Ich will von ihm wissen, wo ich meinen Doppelgänger finde .
    Also beließ ich es an dem Tag dabei und nahm mir vor, dienächste Sonntagsmesse in San Giacometto zu besuchen, um dort mehr herauszufinden.
    Doch schon am darauffolgenden Donnerstag ergab sich eine andere Gelegenheit, und ab da liefen die Geschehnisse gänzlich aus dem Ruder.

    In Venedig wurde Christi Himmelfahrt auf besondere Weise begangen, mit einer Zeremonie, die man Sensa nannte. An diesem Tag feierte man die symbolhafte Vermählung der Serenissima mit dem Meer. Das Volk versammelte sich an der Mole, wo der Doge mit zahlreichen Würdenträgern den Bucintoro bestieg und hinaus nach San Nicolò di Lido fuhr. Dort warf er im Beisein des Patriarchen einen goldenen Ring ins Meer, um auf diese Weise Jahr für Jahr aufs Neue die Verbindung zwischen Venedig und der See zu bekräftigen.
    Mittlerweile hatte ich nicht nur viel über die traditionellen Feste der Stadt erfahren, sondern auch Stück für Stück die einzelnen Sestieri erkundet. Auf meinen Streifzügen durch Venedig hatte ich mich anfangs verlaufen, doch bald hatte ich es heraus, mich an markanten Gebäuden zu orientieren, vornehmlich den zahlreichen Kirchtürmen, die wie steinerne Monumente aus dem Gewirr der Häuser und Gassen ragten. Ich merkte mir den Verlauf einzelner Kanäle und auch, wo ich die Richtung wechseln musste, um nicht in einer Sackgasse oder auf einem brückenlosen Kai zu landen.
    Ich bestaunte die mit Fresken bemalten Palazzi entlang des Canalezzo ebenso wie die riesigen

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