Der König Der Komödianten: Historischer Roman
dass du verreist, aber dann heimlich ins Badehaus gehen! Und dann auch noch so tun, als würdest du mich nicht kennen!«
Ich erstarrte.
Der Mann befreite seinen Kopf aus ihrem Griff. »Wie oft soll ich es dir denn noch sagen!? Ich war wochenlang auf der Terraferma 28 und bin erst heute Abend zurückgekommen, da kannst du jeden fragen! Und ab morgen bin ich schon wiederfort und bleibe es für die nächste Zeit! Wer immer dieser Kerl im Badehaus war – ich war es jedenfalls nicht!«
Die Stimme kam mir bekannt vor, ich hätte sogar schwören mögen, sie jeden Tag zu hören. Doch woher dieser Eindruck rührte, begriff ich erst, als die Gondel direkt am Haus vorbeifuhr und der Mann den Kopf vollends hob, sodass ich sein Gesicht sehen konnte.
Es war mein eigenes.
20 Wörtlich übersetzt: Tittenbrücke
21 improvisiert
22 Frauengewand
23 venezianischer Verwaltungsbeamter
24 Venezianische Stadtviertel, genauer -sechstel, da Venedig aus sechs Stadtbezirken besteht: San Marco, San Polo, Castello, Cannaregio, Dorsoduro und die Giudecca.
25 Strumpfhosen
26 Stein der Weisen (von dem man u. a. annahm, er mache unsterblich)
27 Sitzkabine auf der Gondel
28 Zu Venedig gehörendes Festland
Teil 6: Venedig, Mai 1594
Im Rückblick fragte ich mich, warum ich nicht laut geschrien hatte, etwa Sofort anhalten! Oder: Sieh her, es gibt dich zwei Mal! Auch hätte ich hinauslaufen und versuchen können, dem Boot zu folgen, um mich zu vergewissern, wen ich gesehen hatte.
Stattdessen blieb ich stocksteif am Fenster stehen und tat keinen Mucks. Zum einen lag es gewiss am Schock, zum anderen aber auch daran, dass ich meinen eigenen Wahrnehmungen nicht traute. Im Hinblick darauf, was ich kurz zuvor auf meinem Strohsack getan hatte, lag das nahe, wusste man doch, dass es nicht nur zu Pickeln führen konnte, sondern manchmal auch zur Trübung des Verstandes.
Bis ich nach einigem Zaudern bereit war, doch für wahr zu halten, was ich gesehen hatte, war die Gondel längst verschwunden.
Am nächsten Tag erzählte ich Rodolfo davon. Er wiegte den Kopf und fragte, ob an dem Boot oder der Kleidung des Mannes ein Wappen oder ähnlich auffallendes Merkmal gewesen sei, worauf ich einräumen musste, mich nicht daran zu erinnern. Tatsächlich waren – abgesehen von der Ähnlichkeit des Mannes mit mir selbst – die beiden einzigen Details, die mir plastisch im Gedächtnis hafteten, Adelinas enorme Brüste.
Franceschina, die während unseres Gesprächs am Herd stand und kochte, hob gebieterisch den Rührlöffel. »Der Jungehat das nur geträumt«, sagte sie. »Er steckt mit seinem Kopf zu sehr in dem Stück und verwechselt es mit der Wirklichkeit. Außerdem hatte er einen aufregenden Tag und war viel zu lange auf.«
Hitze überflutete mein Gesicht, doch das war gar nichts gegen meine Verlegenheit, als kurz darauf Elena mit Baldassarre die Küche betrat.
Sie benahm sich, als sei nichts vorgefallen, obwohl ich an ihren tiefroten Wangen sah, dass sie die Situation mindestens so peinlich fand wie ich. Die meiste Zeit wichen wir beharrlich gegenseitig unseren Blicken aus und versuchten auch sonst, uns nichts anmerken zu lassen.
Cipriano kam ebenfalls zum Morgenmahl in die Küche, gefolgt von Bernardo und Caterina. Bernardo schritt wie ein satter Kater zum Tisch, während Caterina ihr übliches geheimnisvolles Lächeln zeigte.
Franceschina knallte ihnen wortlos die Teller hin und rauschte aus der Küche, was Rodolfo mit verbissenem Kiefermahlen quittierte.
Als Baldassarre nach dem Essen erklärte, nun sei es Zeit für ein schönes heißes Bad, zuckte Elena zusammen. »Aber Großvater, du hast doch erst gestern gebadet!«
»Ich bin alt und kann jeden Tag sterben«, sagte er würdevoll. »Willst du einem dahinwelkenden Greis seinen vielleicht letzten Wunsch verwehren?«
Mit zusammengepressten Lippen kramte Elena ein paar Münzen hervor und reichte sie mir. »In welches Badehaus geht ihr heute?«, fragte sie beiläufig.
»Auf jeden Fall in ein anderes als gestern«, sagte ich, ebenso beiläufig. »Ich werde nach einem suchen, das in jeder Beziehung einwandfrei ist.«
Mit diesem Wortwechsel schufen wir eine Art Schwebezustand zwischen uns, der eine ganze Weile vorhielt.
Die folgenden Tage verliefen im Großen und Ganzenereignislos, es war eine Zeit des friedlichen Miteinanders der Truppenmitglieder, abgesehen von den üblichen Querelen, die jedoch nicht zu größeren Auseinandersetzungen führten.
Die täglichen Einnahmen brachten den
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