Der König Der Komödianten: Historischer Roman
bringen, weil es mich danach verlangte, sie zu berühren. Meist schämte ich mich meiner Empfindungen und versuchte, sie so gut es ging zu verbergen, doch ob mir das gelang, war unmöglich zu sagen. Elena jedenfalls verhielt sich, als sei sie von dem, was unter dem Sottoportego vorgefallen war, gänzlich unberührt. Sie behandelte mich freundlich, zuweilen aber auch mit der Herablassung, die ich bereits zur Genüge kannte. Im einen Moment konnte sie mich loben, im nächsten aufziehen oder mit schnippischen Worten maßregeln.
Ein lauter Ausruf riss mich aus meinen Gedanken.
»Contarini! Giovanni Contarini! Bist du schon wieder von der Terraferma zurück?«
»Huhu, Contarini! Hier sind wir!«
Hastig ließ ich meine Blicke über die Menge schweifen und entdeckte schließlich zwei Burschen in meinem Alter, die auf der anderen Seite des Rio di Palazzo standen. Der eine trug ein knallrotes, der andere ein knallgelbes Samtwams, und die Hüte waren ähnlich farbenfroh. Auch ihre seidenen Beinkleider ließen an Leuchtkraft nichts zu wünschen übrig. Vom Farbenreichtum her konnten diese Burschen mühelos mit den schillernd bunten Singvögeln mithalten, die manchmal an Markttagen auf der Piazza feilgeboten wurden.
Sie winkten mir über den Kanal hinweg zu. »He, Giovanni!«, rief der Gelbe. »Gehst du mit uns feiern? Wir wollen in Matildas Schenke!«
Die Gelegenheit war gekommen! Endlich hatte ichjemanden getroffen, den ich über diesen Giovanni Contarini ausfragen konnte! Entschlossen begann ich, mich durch das Menschengewimmel auf der Brücke zu ihnen durchzukämpfen.
»Was hast du vor?«, wollte Rodolfo wissen.
»Siehst du die beiden Männer da?«
»Natürlich nicht«, sagte Rodolfo. »Falls du es vergessen haben solltest – ich habe nicht gerade deine Stehhöhe. Was sind das für Männer?«
»Ich will sie fragen, wo ich meinen Doppelgänger finden kann!«
»Vielleicht kenne ich sie. Heb mich hoch.«
Ungeduldig packte ich ihn und stemmte ihn hoch. Obwohl er so klein war, hatte er ein beträchtliches Gewicht, und als ich ihn mir endlich auf eine Schulter gehievt hatte, konnte ich mich nur taumelnd aufrecht halten.
»Wo genau?«, wollte Rodolfo wissen.
»Direkt auf der anderen Seite des Kanals«, sagte ich. »Die beiden Gecken in Gelb und Rot!«
»Ich sehe nichts.«
Mir ging es nicht anders. Rodolfos Hemd hing mir vor dem Gesicht, doch ich konnte es nicht zur Seite schieben, weil ich beide Hände brauchte, um ihn festzuhalten. Außerdem zermalmte die Scheide von seinem Krummsäbel beinahe mein Schlüsselbein, wobei ich noch von Glück sagen konnte, dass er mit Rücksicht auf den hohen Feiertag nicht auch noch den Morgenstern trug.
»Lass mich runter«, befahl er. »Da ist niemand, auf den deine Beschreibung passt.«
Rasch stellte ich ihn wieder auf die Füße und spähte dann eilig zur anderen Seite der Brücke. Die beiden Gecken waren verschwunden.
»Ich habe sie auch gesehen«, sagte Elena. Sie hatte sich dicht an meine Seite geschoben und blickte zu mir hoch. »Und ich habe gehört, welchen Namen sie genannt haben.«
»Wirklich?«
»Ja. Du hast dich nicht getäuscht.«
Dankbar erwiderte ich ihren Blick, doch sie hob nur auf ihre gewohnt ironische Art die Brauen, bis ich mir wieder einmal dümmer vorkam, als ich mich für gewöhnlich fühlte. Aber ich hatte gelernt, mich damit abzufinden.
»Was ist, wollen wir los?«, fragte sie.
»Wohin?«
Abermals hob sie die Brauen, und ich merkte, dass ich mich geirrt hatte. Ich konnte mich nicht damit abfinden.
»Zu Matildas Schenke, wohin sonst?«, antwortete sie.
Prompt marschierte sie los, und ich schloss mich ihr an, über meine Füße stolpernd bei der Aussicht, zum ersten Mal seit dem Kuss wieder allein mit ihr zu sein, jedenfalls soweit von allein bei dem Menschengewühl, durch das wir uns kämpfen mussten, überhaupt die Rede sein konnte.
Doch nicht einmal zu dieser eingeschränkten Zweisamkeit sollte es kommen, denn Rodolfo hatte sich an meine Fersen geheftet. Nach wenigen Schritten merkte ich, dass er mir folgte wie ein Schatten.
»Ich halte es für sicherer, wenn jemand auf dich aufpasst«, erklärte er. »Schon einmal wollte dich ein Kerl umbringen, der dich mit diesem Contarini verwechselte.«
Wir bahnten uns unseren Weg durch das Gedränge am Dogenpalast, bis wir die ebenfalls vor Menschen wimmelnde Piazza hinter uns gelassen und den Uhrturm erreicht hatten.
Elena ging zielstrebig voraus.
»Woher weißt du eigentlich, in welche Richtung
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