Der König Der Komödianten: Historischer Roman
dessen Nase dort, wo meine Faust sie getroffen hatte, immer noch einen bläulichen Höcker aufwies. Und unmittelbar hinter Aldo … Nein, auch das noch!
All das gewahrte ich gleichzeitig und im Bruchteil eines Augenblickes, während ich schon dabei war, das einzig Sinnvolle zu tun: Ich sprang Elena hinterher, um sie zu retten.
Mir kam gar nicht erst in den Sinn, ich könne wegen meiner fehlenden Schwimmkünste dafür ungeeignet sein, aber das hätte mich ohnehin nicht davon abgehalten, in den Kanal zu springen. Später hielt mir Elena vor, dass ich hätte ertrinken können – sofern das Wasser nur tief genug gewesen wäre und keine Menschen in der Nähe, um uns zu helfen.
Nach Lage der Dinge schied diese Gefahr jedoch aus, denn als ich prustend und spuckend wieder auftauchte, hatte ich Grund unter den Füßen und Elena dicht an mich gedrückt. Das Wasser reichte mir bis zu den Schultern, und Elena hätte vermutlich ebenfalls die Nase gerade noch aus dem Wasser strecken können, auch wenn ich sie nicht mit beiden Armen festgehalten hätte.
Die Leute johlten und lachten, aber nicht wenige Hände streckten sich uns entgegen und halfen uns aus der nach Algen riechenden Brühe. Wasser spuckend, kletterte ich an Land, nachdem Rodolfo mit entschlossenem Zupacken Elena auf die Fondamenta gezogen hatte.
Trotz der sommerlichen Wärme der Luft war das Kanalwasser ziemlich kalt. Schlotternd standen wir da, umringt vonden teils mitleidigen, teils schadenfrohen Zuschauern. Elena blickte trotzig in die Runde, bevor sie sich zuerst das Haar, dann die triefenden Röcke auswrang. Unterdessen musterte ich hastig alle Umstehenden. Aldo war jedoch verschwunden, desgleichen sein Begleiter.
Dafür war Adelina noch da, die Hände in die Seiten gestützt und das Gesicht eine einzige Anklage. »Wir sprechen uns noch!«, rief sie, bevor sie wütend davonrauschte.
»Husch!« Henry scheuchte ein paar kichernde Kinder weg. »Wollt ihr wohl verschwinden? Hier gibt es nichts mehr zu sehen!«
»Für heute war das wohl genug an Akrobatik«, stimmte Rodolfo zu. »Lasst uns gehen.«
In meinen neuen Stiefeln quietschte das Wasser.
Vor der Ca’ Contarini erwartete uns weiteres Ungemach. Cipriano und Franceschina palaverten mit einem Juden in der Gasse vor dem Haus, und als wir dazustießen, teilte Cipriano uns mit, dass der Kaufmann gekommen sei, um seine Ware abzuholen.
»Ganz recht«, sagte der Mann mit dem gelben Hut. »Ich gehe auf keinen Fall ohne meine Athanore wieder fort! Schließlich habe ich die Hälfte angezahlt. Und die andere Hälfte habe ich hier!« Er klimperte mit der Geldkatze an seinem Gürtel.
Betreten suchte ich Elenas Blick; auch sie hatte den Mann wiedererkannt.
»Was zum Henker sind Athanore?«, wollte Rodolfo irritiert wissen.
»Öfen«, sagte der Jude. » Meine Öfen! Zwei Stück! Die ich heute hier holen sollte!«
»So weit waren wir schon«, meinte Cipriano.
»Wer braucht um diese Jahreszeit in Venedig einen Ofen, geschweige denn zwei?«, erkundigte Henry sich.
»Ein Athanor ist ein Alchimistenofen«, warf Elena verärgert ein. »Wo ist Großvater?«
Cipriano hob bedrückt die Schultern. »Ich war nur mal kurz draußen …«
Elena seufzte. »Also heißt es wieder suchen!«
Franceschina betrachtete Elena und mich. »Das hat wohl nicht so gut geklappt mit dem Üben, wie?«
»Jemand hat mich erschreckt«, versetzte Elena knapp. »Da bin ich eben vom Seil gerutscht.«
»Und du hast sie gerettet«, sagte Cipriano grinsend zu mir.
Ich sparte mir die Antwort und winkte Cipriano rasch ein Stück zur Seite. »Rizzo ist in Venedig, und dieser Kerl, dem ich an unserem letzten Tag in Padua die Nase gebrochen und das Messer abgenommen habe, ist in seiner Begleitung.«
Cipriano war entsetzt. »Haben sie euch gesehen?«
»Ich weiß nicht. Elena war gerade ins Wasser gefallen, und ich bin sofort hinterhergesprungen, während ich gleichzeitig Aldo und Rizzo auftauchen sah. Alles geschah im selben Augenblick. Als wir aus dem Wasser kamen, waren sie fort.«
»Könntest du dich getäuscht haben?«
Entschieden schüttelte ich den Kopf. An Trugbilder würde ich so schnell nicht mehr glauben! »Sie waren es. Aldo habe ich auf jeden Fall erkannt, schon an der Nase und dem stupiden Gesicht. Und Rizzo ebenfalls, so eine blasierte Miene hat sonst niemand.«
»Es würde passen«, sagte Cipriano wie zu sich selbst. »Rizzo hat herausbekommen, wohin die Truppe gereist ist, und dann ist er zu seinem Rachefeldzug aufgebrochen,
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