Der König Der Komödianten: Historischer Roman
mir, nachdem ich mich angekleidet hatte, in argloser Begeisterung einen großen Spiegel vorgehalten, auf dass auch ich mich gebührend bewundern könne, während Henry einen entzückten englischen Ausruf tat, den er alsdann für uns übersetzte. »Du bist ein Lord, nichts anderes als ein Lord – das ist eine Zeile aus einem sehr hübschen Stück, an dem mein Freund Will gerade schreibt und aus dem er mir kürzlich vorlas.« 30
Was immer ein Lord war oder tat – nichts daran erschien mir erstrebenswert, und auch Rodolfo fühlte sich durch meinen Anblick lediglich dazu animiert, in seinem tiefsten Bass zu brummen, er habe schon Schlimmeres gesehen.
Elenas Vorschlag, dass wir uns wieder bei der Suche aufteilten, lehnte er rigoros ab. »Von euch beiden kann man keinen allein lassen, und auch nicht euch beide zusammen. Sei es, weil ihr in den Kanal fallt, sei es, weil ihr anderen Unfug anstellt.«
Elena wurde rot und schaute eilig weg, und ich bemühte mich ebenfalls, mir meine Verlegenheit nicht anmerken zu lassen.
Er verbot auch Franceschina, uns beim Suchen zu helfen. »Du bist seit Sonnenaufgang auf den Beinen«, erklärte er. »Und ich habe gesehen, was an Wäsche in den Bottichen liegt, wovon du zweifellos jedes einzelne Stück heute noch ausspülen, wringen und aufhängen willst.«
»Einer muss es doch machen«, meinte Franceschina überrascht. »Und ich tue es gern. Ob Kochen, Waschen oder Putzen – vor Hausarbeit habe ich mich nie gescheut.«
»Ich weiß. Aber vier Hände vollbringen es schneller als zwei. Warte, bis ich zurück bin, dann erledigen wir das gemeinsam.«
»Oh«, sagte Franceschina. In ihrem Gesicht arbeitete es. »Du bist ein guter Mann«, stieß sie hervor, mit beiden Händen ihre Schürze knetend, bevor sie sich umwandte und ins Haus lief.
Ein zufriedenes kleines Lächeln auf den Lippen, schritt Rodolfo aus, in Richtung Rialto, wo wir Baldassarre als Erstes suchen wollten. Elena und ich folgten ihm, jedenfalls so lange, bis Rodolfo kurz stehen blieb und uns hieß, vorauszugehen.
»Ich habe lieber alles im Blick«, war seine kurze Begründung.
»Dafür, dass er so klein ist, kann er ziemlich herrschsüchtig sein«, murrte Elena, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass er sich weit genug hinter uns befand.
Ich warf einen Blick über die Schulter zurück und musste beim Anblick der kurzwüchsigen, aber kraftstrotzenden Gestalt schmunzeln. »Es scheint, als hätte er vorhin bei Franceschina an Boden gewonnen. Ich bin gespannt, wann er sie von seinen ehrbaren Absichten in Kenntnis setzt. In der Schenke hörte ich ihn von Heirat reden. Bleibt nur abzuwarten, ob seine Meinung sich nicht wandelt, sobald Franceschina ihr Geheimnis lüftet.«
»Manche Geheimnisse sind nicht so geheim, wie mancheLeute denken«, lautete Elenas orakelhafte Antwort. Bevor ich sie fragen konnte, was sie damit meinte, blickte sie mich eindringlich an. »Worauf wartest du?«
»Äh … was?«
»Erzähl schon!«
Wieder schaffte sie es, dass ich mir vorkam wie der stupideste aller Trottel, doch immerhin fand ich diesmal nach blitzartigem Nachdenken von allein heraus, worum es ihr ging.
»Du willst wissen, was ich vorhin mit Cipriano besprochen habe!«
Sie nickte ungeduldig. »Was sonst? Du hast so besorgt dreingeschaut. Was war los?«
Es gab keinen Grund, es ihr nicht zu erzählen, also tat ich es.
Von hinten schloss derweil Rodolfo auf. »Du meinst, dieser Bursche hat noch eine alte Rechnung mit dir offen?«
Wie es schien, hatte er alles mitbekommen. Sein Gehör musste beachtlich sein.
»Nicht mit mir, sondern mit Bernardo«, klärte ich ihn auf. »Bernardo war es, der Rizzo im Duell ein … ähm, ihn zwischen den Beinen verletzte.«
»Ich meine nicht Rizzo, sondern diesen … wie war sein Name? Aldo? Hörte ich dich eben sagen, dass du ihm in Padua die Nase gebrochen hast?«
Ich zuckte die Achseln. »Es war Notwehr. Er wollte mit dem Messer auf mich los.«
Rodolfo runzelte die Stirn, bis sein Haaransatz fast die wuchernden Brauen berührte. »Beschreib mir den Kerl.«
»Rizzo oder Aldo?«
»Ruhig alle beide.«
Ich tat es und fragte Rodolfo anschließend, warum es für ihn von solcher Bedeutung war.
»Wer seine Feinde nicht kennt, geht unter«, antwortete er knapp. »Ich nehme meine Aufgabe ernst, mein Junge.«
Als er merkte, dass Elena und ich ihn fragend anschauten,fügte er hinzu: »Meine Arbeit bei den Incomparabili beschränkt sich nicht nur auf die Rolle des Capitano oder des Spaßvogels. Ich
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