Der König Der Komödianten: Historischer Roman
sobald er wieder laufen konnte. Dass er keine amtlichen Schergen mitgebracht hat, spricht dafür, dass er es unter der Hand regeln will, zumal er in Venedig nichts zu sagen hat. Paduaner und Venezianer sind einander nicht sonderlich grün, das hat Tradition. Und der Verlust seines … Körperteils ist ihm zu peinlich, um es auchnoch in Venedig herumzuposaunen. Bestimmt hat man ihn schon in Padua zum Gespött des Jahres erkoren. Also will er es privat austragen, und zur Unterstützung hat er Aldo dabei. Wahrscheinlich ist der nicht der einzige Schläger, den er mitgebracht hat. Sind dir noch andere Kerle in seinem Gefolge aufgefallen?«
»Ich hatte nicht genug Zeit, auf andere zu achten.«
Grimmig runzelte Cipriano die Stirn. »Einerlei. Es steht Ärger ins Haus. Sie werden nicht lange brauchen, bis sie uns gefunden haben.«
»Wir sollten Bernardo warnen!«
»Dazu müsste er erst mal zu Bewusstsein kommen, was bestimmt nicht vor heute Abend geschieht. Im Haus ist er einstweilen sicher.«
»Und während der Vorstellung? Sollen wir sie absagen?«
»Auf keinen Fall«, sagte Cipriano kategorisch. »Das würde uns nur eine Menge Geld kosten und das Problem lediglich aufschieben. Solange Rizzo Bernardo nicht findet, kann er ihm nichts tun. Rodolfo übernimmt die Rolle des Capitano. Ich werde heute den ganzen Tag im Haus bleiben und aufpassen, dass kein ungebetener Besucher hereinkommt. Heute Abend übernehmen wir zu dritt den Einlass. Vielleicht sollten wir noch zusätzlich einen oder zwei Aufpasser anheuern.«
Damit beendeten wir unser Vier-Augen-Gespräch und gesellten uns wieder zu den anderen, die uns bereits ungeduldig erwarteten.
»Ich will meine Ware!«, erklärte der Jude mit fester Stimme.
»Wir müssen Großvater suchen«, sagte Elena mindestens ebenso bestimmt.
Franceschina übertrumpfte sie noch an Autorität. »Zuerst wird das nasse Zeug ausgezogen.«
So sah ich mich alsbald vor das nächste Problem gestellt. Die von meinem Abstecher in die Giardini verdreckten Sachen waren ebenso nass wie jene, die ich gerade trug, da Franceschina alles zum Einweichen in ein Fass Seifenlauge gesteckt hatte. Das, was ich anhatte, solle ich wegen des Kanalgestanks gleich dazulegen, empfahl sie mir. Es blieb mir nichts anderes übrig, weshalb ich anschließend, nur mit einem Hemd bekleidet, in der Wäschekammer des Mezzà vor der Wahl stand, meine inzwischen wieder saubere Mönchskutte anzulegen – oder das von Cipriano eilends herbeigeholte Kostüm des Lelio, mit den hauchfeinen Seidenstrumpfhosen und dem mit Silberflitter bestickten, taillierten Wams. Alles andere an verfügbarer Herrenkleidung war entweder im Laugenbottich, da Franceschina heute Waschtag hatte, oder an den Körpern der jeweiligen Besitzer, oder aber vom Aussehen her so abenteuerlich – etwa der schlabberige rote Anzug des Pantalone, die kurzen Ledergamaschen des griechischen Kriegers oder die Notarsrobe des Dottore –, dass ich damit erst recht nicht ins Freie gehen konnte.
Cipriano hielt das schimmernde Wams hoch. »Es würde dich gut kleiden«, sagte er. »Ich könnte dir meine feinen Schnabelschuhe und mein Spitzentuch dazu borgen.«
»Er würde bemerkenswert aussehen, wie eine Mischung aus Höfling und Hufschmied«, stimmte Henry zu.
»Vielleicht eher wie eine Mischung aus Hermes und Ares«, meinte Cipriano diplomatisch.
Ohne zu zögern, griff ich nach der Mönchskutte.
»Dazu kannst du aber dein Rapier nicht tragen«, gab Cipriano zu bedenken.
Das Gewand schon halb über dem Kopf, hielt ich inne.
Cipriano reichte mir eilfertig die hellblauen Strumpfhosen.
Beim Betreten des Innenhofs betrachtete ich angelegentlich eine Stelle weit oben an der Mauer, doch Elenas Kichern konnte ich damit nicht ausweichen.
Ich warf ihr einen vernichtenden Blick zu. »Sag ja nichts!«
»Tu ich doch gar nicht«, sagte sie grinsend. Von dem unfreiwilligen Bad im Kanal war ihr nichts mehr anzusehen, bis auf das noch feuchte Haar, das sie fest zurückgekämmt und im Nacken zu einem Zopf geflochten hatte. Anders als in der letzten Zeit trug sie wieder eines von den farblosen Hängekleidern, in denen sie wie zwölf aussah. Leider half mir das nicht dabei, mich in meiner eigenen Haut wohler zu fühlen. Nicht einmal das Rapier, das an meiner Seite hing, konnte darüber hinwegtäuschen, dass ich mir wie der weibischste aller Gecken vorkam. Vielleicht hätte ich mir einbilden können, dass es nicht gar so arg auf den Betrachter wirkte, hätte nicht Cipriano
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