Der König Der Komödianten: Historischer Roman
habe auch darauf zu achten, dass der eine oder andere sich nicht in schlimmere Nöte bringt als nötig.«
Elena blickte ihn erstaunt an, bevor ihr ein Licht aufging. »Jetzt verstehe ich! Ich hatte ganz vergessen, dass du auch Leibwächter von Beruf bist! Großvater hat dich auch dafür angeworben, stimmt’s? Wie umsichtig von ihm!«
Damit war zugleich erklärt, wieso Rodolfo sich ständig an unsere Fersen heftete. Allerdings fand ich, dass Bernardo in ungleich größerer Gefahr schwebte, und teilte das Rodolfo auch umgehend mit, worauf er jedoch nur die Schultern hob und sich ähnlich äußerte wie zuvor schon Cipriano. »Im Haus ist er sicher. Und während der Vorstellung werde ich besonders auf ihn achten.«
Diese Aussicht fand ich ungemein beruhigend. Mit Rodolfo würde sich so schnell keiner anlegen!
Eine Weile gingen wir schweigend weiter, bis mir auffiel, dass Elenas Nase sich in der Sonne zunehmend rötete, was daran lag, dass sie schon wieder keine Haube trug. Noch vor ein paar Wochen hätte es nicht viel ausgemacht, aber der Mai brachte bereits sommerliche Hitze mit sich.
Aus eigener Erfahrung wusste ich, wie schmerzhaft das enden konnte. Als Kind hatte ich selbst von meinen Ausflügen in die Felder den einen oder anderen Sonnenbrand mit heimgebracht. Irgendwann einmal hatte Onkel Vittore mir gezeigt, wie man dem vorbeugen konnte. Flugs nahm ich das Spitzentuch, das Cipriano mir trotz meines Protestes vor meinem Aufbruch noch in den Gürtel geschoben hatte, und knüpfte einen Knoten in jede Ecke.
»Was machst du da?«, wollte Elena wissen.
»Wart’s ab, gleich ist es fertig.« Rasch schlang ich den letzten Knoten. »Ich fand es übrigens sehr mutig von dir, dass du über dem Wasser gelaufen bist.«
»Ach, das war stümperhaft«, widersprach Elena unzufrieden. »Wirklich gekonnte Seilakrobatik sieht anders aus. Ich wünschte, ich wäre am Giovedì grasso 31 hier in Venedig gewesen, um dem Türkenflug zuzusehen.«
Gehört hatte ich von diesem halsbrecherischen Kunststück, bei dem sich ein Akrobat an einem Seil von der Spitze des Campanile zur Loggia des Dogenpalastes hinabhangelte, doch allein die Vorstellung fand ich beängstigend.
»Bestimmt haben sich dabei bereits einige den Hals gebrochen.«
»Das schreckt mich nicht! Ich würde es zu gern einmal selbst versuchen!«
Mir war klar, dass man ihr das nicht so leicht ausreden konnte. Doch ich wusste auch, dass ich alles tun würde, um es zu verhindern, und wenn ich sie dafür eigenhändig festbinden müsste.
»Hier, bitte sehr!« Ich hielt ihr das Tuch hin.
Sie musterte es verdutzt. »Was soll ich damit?«
»Es dir aufsetzen. Du hast deine Haube vergessen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe sie absichtlich zurückgelassen, weil mein Haar so besser trocknen kann.«
»Die Sonne verbrennt dir das Gesicht«, erklärte ich. »Deine Stirn und deine Nasenspitze sind schon ganz rot.«
Wie ein erschrockenes Kind fasste sie sich an die Nase, und ich musste lächeln.
»Komm, ich helfe dir.« Ich legte ihr das Tuch übers Haar und zupfte es zurecht, bis ihre Nase halbwegs im Schatten lag. »So, jetzt bist du gefeit.«
Sie sah mich an, und dabei wirkte sie nicht mehr kindlich. In ihrem Gesicht stand ein ähnlicher Ausdruck wie vorhin bei Franceschina, als Rodolfo ihr seine Hilfe angeboten hatte.
»Das ist …« Sie hielt inne und atmete tief ein. »Das ist lieb von dir, Marco. Danke.«
»Keine Ursache«, sagte ich, gewollt großspurig, um meine plötzliche Befangenheit zu überspielen.
Gleich darauf wurde ich abgelenkt, denn soeben hatten wir die Rialtobrücke erreicht, und auf der gegenüberliegenden Seite des Canal Grande erspähte ich ein bekanntes Gesicht.
»Wir haben Glück!«, rief ich. »Da drüben ist Baldassarre!«
Elena lachte erleichtert. »Na, dem Himmel sei Dank, diesmal müssen wir nicht ins Badehaus!«
Bei diesen Worten warf sie mir einen bezeichnenden Blick zu, doch das focht mich nicht an, denn auch ich war froh, dass mir gewisse Peinlichkeiten erspart blieben. Weniger froh war ich jedoch, als ich sah, mit wem Baldassarre dort an der gegenüberliegenden Kanalseite beisammenstand. Ich sah den Mann nur im Profil, aber es gab keinen Zweifel. Es war der Maskierte, dem ich in jener Nacht, als ich mich verlaufen hatte, begegnet war und den ich später zusammen mit Baldassarre im Badezuber wiedergesehen hatte. Mit anderen Worten: jemand, mit dem Baldassarre Geschäfte machte.
Da ich die längsten Beine von uns dreien hatte, war
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