Der König Der Komödianten: Historischer Roman
gemeinsam am besten die Öfen sofort zu dem Juden bringen und gleich anschließend das Geld zu Celsi, stimmten wir sofort eifrig zu.
»Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen«, sagte Elena.
Baldassarre hingegen meinte, es sei die pure Verschwendung, das Kapital einen ganzen Tag lang ungenutzt zu lassen. So habe er neulich erst einen Händler getroffen, der ihm herausragende deutsche Taschenuhren zu einem unglaublich günstigen Preis angeboten habe.
»Ich könnte für das Geld ein halbes Dutzend davon erwerben und binnen Stunden mit einem Gewinn weiterveräußern, der jedem Kaufmann Freudentränen in die Augen treiben würde«, sagte er.
»Das machst du besser ein andermal«, sagte Elena.
Baldassarre lächelte gütig. »Du vergisst immer, wie alt ich bin, Kind. Ein andermal gibt es für mich vielleicht nicht mehr, und ich würde dir doch so gern noch einen Notgroschen hinterlassen, bevor ich das letzte Mal in einen Badezuber steige.«
Elena schüttelte bockig den Kopf. »So sollst du nicht reden! Du bist überhaupt nicht richtig alt! Und du musst all diese dummen Geschäfte nicht machen, schon gar nicht meinetwegen! Wir haben einander, das ist doch genug!«
Gemeinsam bestiegen wir das Floß. Ein mürrischerBootsführer ruderte es im Schneckentempo den Canal Grande entlang in Richtung Cannaregio.
Baldassarre lehnte in Besitzerpose an einem der Athanore und erklärte uns ihre Funktionsweise. Es handle sich um Philosophen-Öfen neuester Erfindungskunst, gern auch Piger Henricus 33 genannt, weil sie eine besonders arbeitssparende Vorrichtung zum Aufnehmen der Kohle besäßen, sodass der viel beschäftigte Alchimist sich nicht ständig mit Nachfüllen plagen müsse. In dem philosophischen Ei, einer speziellen Brennkammer, könne dann die Prima Materia 34 ganz allmählich vor sich hinkochen, bis die gewünschte Umwandlung erreicht sei.
Nachdem Baldassarre sich lang und breit über die vorzügliche Konstruktion der Athanore ausgelassen hatte, blickte er mit leuchtenden Augen über den Kanal. »Ah, wie schön es doch in Venedig ist! Welche Möglichkeiten sich hier einem tüchtigen Mann bieten!« Freundlich wandte er sich an mich. »Macht das neue Theaterstück Fortschritte, Marco?«
Das konnte ich nur verneinen, nachdem ich einen ganzen Tag im Gefängnis und fast einen weiteren durch meinen Besuch bei Morosini und das ungeplante Bad im Kanal verloren hatte.
Bis zur Vesper blieben höchstens zwei Stunden, in denen noch Baldassarres Athanor-Geschäfte abzuwickeln waren. Zum Schreiben reichte die Zeit vor der abendlichen Aufführung daher nicht mehr, erst recht nicht zum Proben des fertigen Teils, ganz abgesehen davon, dass Bernardo, der immerhin die beiden wichtigsten Rollen innehatte, im Vollrausch daniederlag.
Der Bootsführer lenkte das Floß nach rechts in einen Seitenkanal, und einige Abzweigungen später gelangten wir zum jüdischen Ghetto. Allseitig von Kanälen umflossen, war es eine nach außen abgeschirmte Insel, nicht nur von der Lage her,sondern auch für die Bewohner: Ausschließlich Juden lebten in diesem Bezirk Cannaregios, insgesamt Tausende, wie es hieß, in Häusern, die wegen der wachsenden Bevölkerung bis zu zehn Stockwerken hoch waren. Nur dort durften sie wohnen, nirgends sonst in Venedig, und wenn sie tagsüber das Ghetto verließen, mussten sie den gelben Hut tragen, um für jedermann als Jude erkennbar zu sein. Nachdem wir bei einer Brücke angelegt hatten, die einen von nur zwei Zugängen zum Ghetto bildete, fiel mir die Aufgabe zu, hineinzugehen und den Juden zu suchen, damit diesem die Athanore übergeben werden konnten.
Nach dem Namen des Mannes befragt, schloss Baldassarre grübelnd die Augen, so lange, dass ich schließlich davon überzeugt war, er wisse es nicht mehr.
Doch dann blickte er uns strahlend an. »Eben ist es mir eingefallen. Sein Name ist Isacco.«
Darüber hinaus war ihm nichts zu entlocken, kein Zuname, keine Beschreibung des Hauses, in dem dieser Isacco wohnte, keine nähere Bezeichnung des Gewerbes, das er ausübte. Ich würde mich also zu ihm durchfragen müssen.
Zahlreiche Läden und Werkstätten mit vorgebauten Ständen säumten den großen Campo, auf dem reges Alltagstreiben herrschte, ganz so wie auf anderen Plätzen Venedigs.
Ich wandte mich an den nächstbesten Mann, der mir entgegenkam. Er führte eine Ziege am Strick und summte ein Liedchen.
»Guter Mann, könnt Ihr mir sagen, wo ich den Juden Isacco finde?«
Er starrte mich an.
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