Der König Der Komödianten: Historischer Roman
zerrten wir einen der eisernen Öfen aus der Hülle. Als wir uns anschließend daranmachten, Rizzo in den Sack zu befördern, revoltierten meine Eingeweide erneut.
Dankenswerterweise übernahm Rodolfo es daraufhin, den Toten kopfüber in den Sack zu schieben, doch dann stellte sich heraus, dass die Arbeit damit nicht getan war: Der Körper war zu lang für den Sack.
»Wir müssten die Beine abhacken, um ihn ganz reinzukriegen«, sagte Rodolfo.
Ich würgte heftig, doch diesmal kam nichts mehr.
»Das war ein Spaß«, sagte Rodolfo. »Es gäbe eine gewaltige Sauerei, mehr Blut, als wir wegwischen können.« Pragmatisch fügte er hinzu: »Außerdem haben wir keine Axt.«
Kritisch betrachtete er die Leiche. »Es muss reichen, wenn er obenrum verpackt ist. Wir verschnüren das offene Ende mit seinem Gürtel, dann kann er nicht rausrutschen.«
Auch von dieser Aufgabe übernahm er den Löwenanteil, denn immer, wenn ich die Leiche berühren musste, überkam mich quälender Brechreiz. Ich fühlte mich erbärmlich schwach und unzulänglich.
»Du hast wohl noch nicht viele Tote gesehen, was?«, fragte Rodolfo.
»Erst einen. Aber er sah nicht so … ähm, tot aus.« Tatsächlich hatte Onkel Vittore nicht tot gewirkt, jedenfalls nicht so unwiderruflich wie Rizzo. Er hatte einfach nur erschrocken ausgesehen. Und dann hatte Ernesto ihm auch schon die offenen Augen geschlossen und seine Jacke über das reglose Gesicht gebreitet. Das war das Letzte, was ich von Onkel Vittore gesehen hatte.
Während ich in beklemmenden Erinnerungen versank, begann Rodolfo mit dem Saubermachen. Mit einem Kübel schöpfte er Wasser und goss es über die Blutlache, die sich dort ausgebreitet hatte, wo Rizzo gestürzt war. Als Nächstes waren die Hinterlassenschaften des Muschelragouts an der Reihe. Anschließend hieß Rodolfo mich, die Lampe höher zu halten, damit er auch die Blutflecken an den Wänden beseitigen konnte. Es gab viel mehr davon, als ich vermutet hatte, überall waren dunkle Schlieren und Spritzer zu sehen. Immer wieder schüttete Rodolfo Wasser über alle verdächtigen Stellen, und dort, wo er wegen seiner Kleinwüchsigkeit nicht hinaufreichte, musste ich den Kübel schwingen.
»Das sollte reichen«, meinte Rodolfo schließlich. »Morgen sehen wir es uns noch einmal bei Tageslicht an.« Er wandte sich der verschnürten Leiche zu. »Aber vorher machen wir eine kleine Ausfahrt.«
»Wir haben kein Boot«, wandte ich ein.
»Ich gehe eins besorgen«, sagte Rodolfo. »Du kannst dich in der Zwischenzeit umziehen. Deine schmutzigen Sachen werfen wir gleich mit ins Wasser. Das Blut kriegst du auch mit noch so viel Waschen nicht mehr raus.«
Nun erst bemerkte ich, dass meine Kleidung von oben bis unten blutbesudelt war. Von Ekel und Entsetzen geschüttelt, hätte ich mir am liebsten auf der Stelle alles vom Leib gerissen, und stumm verfluchte ich mich, weil ich zu müde gewesen war, mich vor dem Schlafengehen auszuziehen. Nur Ciprianos feine Schnabelschuhe hatte ich abgestreift.
Bemüht, vor Rodolfo nicht als der verstörte Jammerlappen dazustehen, der ich zweifelsohne war, rang ich um Haltung. Betont lässig erklärte ich, es könne nicht schaden, zwischenzeitlich eine Plane über die Leiche zu werfen, etwa für den Fall, dass zufällig jemand im Haus aufwachte und herunterkäme. Rodolfo fand, das sei eine gute Idee, und brach sodann unverzüglich auf, ein Boot zu beschaffen.
Unterdessen holte ich ein Wachstuch aus dem Wirtschaftsraum und bedeckte damit den Toten. Ich überwand mich sogar dazu, ihn bei den Füßen zu packen und neben die Öfen zu zerren, damit es so aussah, als handle es sich um zusammengehörende Waren.
Anschließend suchte ich die Wäschekammer auf, um mich neu einzukleiden. Das blutige Lelio-Kostüm rollte ich fest zusammen und knotete einen Strick darum. In Ermangelung anderweitiger Auswahl hüllte ich mich in das Gewand, das ich beim letzten Mal um meiner Wehrhaftigkeit willen verschmäht hatte.
Als ich wieder zum Andron zurückkehrte, war ich Marco, der Mönch.
Bald darauf sah ich den schmalen, langen Schatten einer Gondel vor dem offenen Tor. Das Boot glitt gegen die Stufen, und Rodolfo stieg wendig heraus.
»Es kann losgehen.«
Mit vereinten Kräften hatten wir gerade unsere schaurige Last auf Kniehöhe angehoben, als hinter uns gedämpfte Stimmen zu hören waren.
Abrupt ließen wir die Leiche wieder fallen und drapierten die Plane darüber.
»Wer ist da drinnen?«, kam vom Kanal her Caterinas
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