Der König Der Komödianten: Historischer Roman
aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen, doch sofort wich dieser Ausdruck einem breiten Lächeln. »Wie praktisch du veranlagt bist, meine Teure!«
»Mein Sinn fürs Praktische sagt mir, dass ihr ins Bett gehört.« Prüfend blickte sie auf den Kanal hinaus. »Man sieht schon einen Hauch von Morgengrauen.«
Damit hatte sich unser Plan fürs Erste zerschlagen. Notgedrungen mussten wir unser Vorhaben auf einen günstigeren Zeitpunkt verschieben. Mir blieb nichts anderes übrig, als es Rodolfo gleichzutun und wieder ins Bett zu gehen. Die Knie unter der kratzigen Kutte fest an den Leib gezogen und die Wange an mein Lavendelkissen geschmiegt, lag ich fröstelnd auf meinem Strohsack und versuchte, zur Ruhe zu kommen. Trotz der erlebten Schrecknisse dauerte es nicht lange, bis ich in einen unruhigen Schlummer fiel. In meinen Träumen wurde ich von blutüberströmten Leichen gejagt, die mit Morgensternen nach mir warfen.
Als ich das nächste Mal aufwachte, war es helllichter Tag. Die Sonne stand hoch am Himmel, es musste schon auf Mittag zugehen.
In der Küche traf ich auf Franceschina, von der ich erfuhr, dass man beschlossen habe, mich nicht zu wecken, da ich infolge der Nacht im Gefängnis noch jede Menge Schlaf nachzuholen hätte.
Während ich lustlos eine Portion Haferbrei löffelte, kehrtenRodolfo und Cipriano von ihrem Ankündigungsrundgang zurück. Cipriano kniff in bedeutungsvollem Ernst ein Auge zu, woraus ich schloss, dass Rodolfo ihn eingeweiht hatte. Als ich jedoch zu einer Frage ansetzte, legte er rasch den Finger auf die Lippen, vielsagend zu Franceschina hinüberschielend. Demzufolge hatte sie keine Ahnung, was geschehen war.
Als sie kurz darauf in die Vorratskammer ging, flüsterte Cipriano: »Rodolfo und ich haben ihn heute Morgen fest eingewickelt und in der hintersten Ecke des Andron verstaut. Nach Einbruch der Dunkelheit schaffen wir ihn raus in die Lagune.«
»Und wenn Aldo uns die Ordnungshüter auf den Hals hetzt?«
»Das hätte er schon längst getan. Der wird schweigen, sonst ist er selbst dran. Sei ganz beruhigt.«
Ich nickte und schob den nur halb geleerten Teller von mir.
Franceschina kam mit einem Schinken in die Küche zurück. »Marco, heute musst du noch fleißig an dem Canovaccio schreiben«, sagte sie. »Am Nachmittag wollen wir uns nämlich endlich wieder Zeit für eine Probe nehmen.« Sie schnitt eine Scheibe von den Ausmaßen einer großen Männersandale von dem Schinken ab und schob sie mir hin. »Hier, damit du eine ordentliche Grundlage für deine Kunst hast.« Anschließend säbelte sie ein gleichgroßes Stück ab und verspeiste es mit wenigen Bissen. Den Brei, den ich übrig gelassen hatte, schaufelte sie in Windeseile hinterher und beendete dann ihr Mahl mit einer Handvoll Mandeln, die sie sich in den Mund warf, indem sie damit jonglierte und eine nach der anderen mit den Zähnen aus der Luft schnappte. Rodolfo applaudierte begeistert, und auch Cipriano strahlte nur so vor guter Laune.
Mich konnte die akrobatische Einlage nicht erfreuen, und auch Ciprianos Bericht über seine Verhandlung mit dem Kaufmann Celsi, den er bereits zeitig am Morgen aufgesucht hatte, vermochte mich nicht aus meiner Lethargie zu reißen.
»Er war gleich einverstanden, als ich in Baldassarres Nameneinen dreitägigen Zahlungsaufschub erbat. Notfalls nimmt er sogar zwei der Öfen wieder zurück, weil er einen anderen Interessenten dafür hat. Wir haben uns ganz umsonst gesorgt!«
Es war mir völlig gleichgültig. Am liebsten wäre ich wieder zu Bett gegangen und nie mehr aufgestanden. Nicht einmal von dem Schinken mochte ich essen.
Meine Niedergeschlagenheit blieb Cipriano nicht verborgen, denn als ich die Küche verließ, folgte er mir und nahm mich beiseite. »Es war seine eigene Schuld, Marco. Die Entscheidung lautete: Du oder er. Was blieb Rodolfo denn übrig? Mach dir nur wegen Rizzos Tod keine Vorwürfe, hörst du? Wer weiß, was er noch alles ausgeheckt hätte!«
Ich schluckte. Das Schlimmste wusste Cipriano gar nicht – er selbst war nur noch dank glücklicher Zufälle am Leben! Wäre ich nicht rechtzeitig aufgewacht und hätte Rodolfo nicht den Morgenstern geschleudert, als es hart auf hart kam, wären jetzt sowohl Bernardo als auch Cipriano tot. Bernardo wäre gestorben, um Rizzos Rachsucht zu stillen, und Cipriano, weil er der Hüter der Ersparnisse war, die Rizzo hatte rauben wollen.
Als ich mir das Grauen der anderen nach einem so schaurigen Doppelmord vorstellte, stieg
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