Der König Der Komödianten: Historischer Roman
Zorn in mir auf, und mit einem Mal fand ich wirklich, dass Rizzo verdientermaßen ins Gras gebissen hatte. Nun ja, vielleicht nicht unbedingt dadurch, dass er buchstäblich das Gesicht verlor, was wahrlich ein grausiger Tod war. Ob es sehr wehgetan hatte?
Natürlich hatte es das!, wies ich mich erzürnt zurecht. Hatte ich selbst nicht schon die Englein im Himmel singen hören, als ich mir die Füße an den eisernen Spitzen des Morgensterns blutig gestoßen hatte? Schaudernd blickte ich auf meine nackten Zehen, die vorn aus meinen Sandalen herausschauten, und versuchte mir vorzustellen, welche Qual es wohl bedeutete, mit voller Wucht einen Morgenstern auf die Nase zu bekommen.
Abermals wallte Mitleid mit Rizzo in mir auf, doch dasverwandelte sich beim Anblick meiner Füße umgehend in kaltes Entsetzen, als ich erkannte, dass höchstens ein Bruchteil von dem dort angetrockneten Blut mein eigenes war. Das weitaus meiste stammte aus derselben Quelle wie das, was Rodolfo und ich in der vergangenen Nacht vom Boden und von den Wänden des Andron gespült hatten. Offenbar direkt auf meine Füße. Sie sahen aus wie in Rost getaucht.
Mit einer gestammelten Entschuldigung ließ ich Cipriano stehen und rannte in die Wäschekammer, wo ich ohne zu zögern in den erstbesten vollen Bottich stieg. Stechend drang mir der Geruch der Seifenlauge in die Nase, während ich mit hochgeraffter Kutte zwischen den schäumenden Wäschestücken von einem Bein aufs andere trampelte.
»Was um Himmels willen machst du da?« Franceschina kam in die Kammer, einen Korb Schmutzwäsche auf der Hüfte.
»Ich … äh … ich …« Starr stand ich in der Lauge und rang vergeblich nach Erklärungen.
»Der Junge ist mit mir einer Meinung, dass du viel zu hart arbeitest. Er wollte dir ein bisschen beim Waschen zur Hand gehen.« Rodolfo trat hinter Franceschina hervor und gestikulierte wild, ich solle mich bloß nicht verplappern.
»Zur Hand?«, echote Franceschina.
Rodolfo zuckte die Achseln. »Na ja, ich glaube, wo er herkommt, nehmen die Leute dafür auch die Füße. Stimmt es nicht, Marco?«
Ich nickte ruckartig. »So machen wir auf dem Lande auch den Wein«, stieß ich hervor.
Franceschina war gerührt. »Du bist ein guter Junge, Marco. Aber vom Dichten verstehst du mehr als von der Wäsche. Raus mit dir!« Sie scheuchte mich aus dem Bottich. »Und hol dir den Schinken aus der Küche!«
Rodolfo hatte mir aus zwei Theaterkisten eine Art Schreibpult gezimmert und einen Hocker davorgestellt, damit ich es beim Schreiben bequemer hatte. Er klopfte mir auf die Schulter und richtete mir von Baldassarre aus, bis zum Nachmittag solle der zweite Akt fertig sein, damit jeder wisse, wie es weiterzugehen habe.
»Ich weiß nicht, ob ich das hinkriege«, sagte ich düster.
In diesem Punkt machte ich mir nichts vor. Viel war geschehen in den vergangenen Tagen, doch zwischendurch gab es ausreichend Gelegenheit, an dem Stück zu arbeiten, zwar nicht schreibenderweise, so doch wenigstens im Geiste. Ich hätte das Canovaccio längst zu Ende denken und mir alle wichtigen Szenen merken können, sodass ich es hinterher nur noch hätte schriftlich niederlegen müssen. Doch ganz offensichtlich war ich zu kleingeistig. Die mir zu Gebote stehende Dichtkunst war zu unzuverlässig und zu dürftig bemessen. Ich hätte es besser gleich ganz sein gelassen.
»In den letzten Tagen hast du so viel erlebt – dein Kopf muss doch vor guten neuen Ideen förmlich bersten!«, meinte Rodolfo.
Mein Kopf fühlte sich tatsächlich an, als wolle er bersten, doch kam das nicht von guten neuen Ideen, sondern daher, dass ich jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, Rizzo mit dem Degen auf mich losstürmen sah. Dass er gewissermaßen blind zustechen musste, weil seine Augen in rötlichem Matsch versunken waren, milderte den realen Eindruck kaum ab. Am liebsten wäre ich mit dem Kopf gegen die Wand gerannt.
»Lass einfach deiner Phantasie freien Lauf«, sagte Rodolfo wohlwollend. »Und rede dir auf keinen Fall ein, dass du es nicht kannst!« Er klatschte einen dicken Papierstapel auf die obere Kiste und legte die gespitzte Feder daneben. Das Tintenfass hatte er bereits geschüttelt, und auch an mein leibliches Wohl war gedacht: Auf einem Holzbrett ruhte die Scheibe Schinken.
»Ich versuche es«, sagte ich.
»Das ist mein Marco!«
In der nächsten Viertelstunde war ich einfach nur erleichtert, allein zu sein. Dann aß ich den Schinken, um nicht länger tatenlos herumzusitzen. Nachdem ich
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