Der König Der Komödianten: Historischer Roman
Angst?«, fragte sie.
Ich gab mich gelassen. »Wovor sollte ich Angst haben?«
Sie deutete auf den schlafenden Iseppo. »Wo er ist, ist der Ärger nicht weit, so war es in Padua auch. Diese Männer, die dort hinter dir her waren – sie sind bestimmt jetzt in Venedig, oder?«
Um das zu schlussfolgern, musste sie nur eins und eins zusammenzählen, deshalb machte ich mir auch nicht die Mühe, um den heißen Brei herumzureden.
»Ja«, sagte ich wortkarg.
»Und du willst nicht weglaufen?«
»Ich bin kein Feigling!«
Sie lächelte zaghaft, doch gleich darauf drückte ihre Miene Besorgnis aus. »Mir gefällt das alles trotzdem nicht. Das Ganze riecht förmlich nach Gefahr! Du musst dich sehr vorsehen, Marco!«
»Ich habe mein Rapier und seit heute Morgen sogar einen neuen Dolch. Und Rodolfo ist ein guter Beschützer. Cipriano weiß auch Bescheid, er hat gesagt, er hält die Augen offen.«
»Aber beide können dich nicht von früh bis spät und womöglich noch in der Nacht bewachen!« Sie straffte sich. »Wenn du fortwillst, gehe ich mit.«
Verdattert blickte ich sie an. »Du … würdest mit mir weglaufen?«
»Sonst wärst du ja ganz alleine! Wovon willst du über die Runden kommen?«
Ich grinste. »Ich könnte die Fedeli suchen und dann Stücke für sie schreiben.«
Bevor sie wütend werden konnte, fügte ich hinzu: »Das war ein Scherz. Ich bin ein guter Landarbeiter. Ich würde mein Auskommen als Knecht finden.«
»Gute Seilakrobaten verdienen mehr Geld, und das in viel kürzerer Zeit«, trumpfte sie auf.
»Aber sie müssen öffentlich auftreten, so kennt sie bald ein jeder in weitem Umkreis. Auf diese Weise würde sich schnell herumsprechen, wo ich mich aufhalte.«
»Das stimmt auch wieder«, räumte sie ein.
»Außerdem kannst du deinen Großvater nicht einfach allein lassen. Er braucht dich doch.«
»Großvater hätte ich natürlich mitgenommen«, sagte Elena. Diesmal war ihre Sorge fast mit Händen zu greifen. »Lange geht das mit seinen Geschäften hier nicht mehr gut. Ihm wird schon wieder der Boden unter den Füßen heiß.«
»Noch ist nicht alles verloren. Bestimmt fällt Cipriano bald was ein. Wenn er für die Öfen keinen Käufer findet, dann vielleicht für die Schiffsfracht.«
»Was für eine Schiffsfracht?«, fragte sie alarmiert.
»Ach, das willst du gar nicht wissen.«
»Will ich doch!«
»Du kannst es sowieso nicht ändern.«
»Erzähl es mir!«
Was blieb mir übrig?
Elena atmete tief durch. »Wenigstens ist das nichts, wofür man ihn belangen könnte.«
Sie wechselte das Thema. »Wie weit bist du mit dem Stück?«
»Den zweiten Akt habe ich korrigiert, er ist jetzt fertig.«
»Habe ich jetzt eine Kuss-Szene am Schluss?«
Ich nickte stumm.
»Lass sehen.«
Ich reichte ihr das oberste Blatt, und sie las murmelnd, was ich geschrieben hatte.
Ich räusperte mich. »Du musst Bernardo während der Proben nicht küssen. Und auch nicht während der Vorstellungen. Also genau genommen überhaupt nicht, nicht einmal gespielt.«
»Wie soll das gehen?«
Ich erklärte ihr, wie ich es mir vorgestellt hatte. Insgesamt musste sie während des Stücks Leandro zwei Mal küssen, beide Male zu einem Zeitpunkt, da Cipriano gerade als Doppelgänger kostümiert wäre, weil er jeweils unmittelbar davor ebenfalls auftreten musste, gemeinsam mit Bernardo.
»Mit anderen Worten, du kannst ebenso gut Cipriano küssen«, sagte ich. »Man sieht ja sein Gesicht nicht dabei, weil er dem Publikum den Rücken zuwendet.« Mit dieser Lösung war ich hochzufrieden, auch wenn ich nicht genau wusste, wieso.
»Heißt das, wir müssen das Küssen jetzt nicht mehr üben?«, wollte sie wissen.
Ich fuhr zusammen und starrte in den Weinbecher, als berge er genau die schlagfertige Erwiderung, die ich jetzt gebraucht hätte.
Iseppo enthob mich einer Antwort, indem er die Augen aufschlug und röchelnd verlautbarte, dass er sich schlecht fühle, sehr schlecht sogar. Ich konnte ihm gerade noch rechtzeitig das Kissen entreißen, das er irgendwie wieder an sich gebracht hatte, aber ich konnte nicht verhindern, dass der Umhang, mit dem ich mich nachts zudeckte, stark in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Elena zog sich zur Tür zurück und sagte im Hinausgehen: »Ich glaube, in der Wäschekammer ist noch ein Bottich mit frischer Lauge frei.«
Als wenig später die abendliche Vorführung begann, war Iseppo immer noch nicht im Vollbesitz seiner Kräfte. Bleich, mit blutunterlaufenen Augen und ängstlicher Miene hielt er
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