Der König Der Komödianten: Historischer Roman
so … aufregend! Und sonderbar! Irgendwie schrecklich ist es auch, aber hauptsächlich aufregend! Noch nie zuvor ist so viel auf mich eingestürmt wie an meinem ersten Tag beim Theater! Hast du dich damals ähnlich gefühlt?«
Ich nickte nur, denn treffender hätte ich es nicht beschreiben können.
Nachdem die Probe ein einziger Reinfall gewesen war, klappte bei der Vorstellung wieder alles wie am Schnürchen. Morosini hatte Wort gehalten; während der gesamten Aufführung blieb er im Hintergrund und verschwand bereits während des Schlussapplauses, womit gewährleistet war, dass Bernardo ihn nicht sah. Dass Bernardo ständig nach mutmaßlichen Nebenbuhlern Ausschau hielt, war nicht zu übersehen, und wir alle fürchteten bereits den Tag, da entweder Morosini oder Razzi ihm wieder über den Weg liefen – das musste zwangsläufig in Mord und Totschlag enden.
Einstweilen galt es jedoch, den bereits verblichenen Rizzo zur ewigen Ruhe zu betten. Rasch stand fest, dass wir das nächtliche Unternehmen zu viert angehen würden, Rodolfo, Cipriano, Iseppo und ich. Iseppo hatte unzählige Gründe parat, warum er unbedingt dabei sein müsse, und er weinte beinahe, als er damit nicht sogleich Gehör fand. Am Ende gab Rodolfo, der Iseppos Hilfsangebot zunächst rundheraus zurückgewiesenhatte, widerwillig nach, aber nur, weil Cipriano und ich uns dafür aussprachen, ihn mitzunehmen. Ich stimmte zu, weil ich wusste, dass Iseppo sich fast zu Tode davor ängstigte, allein in meiner Kammer zurückzubleiben, während in seiner Vorstellung das Haus gleichsam von tödlichen Feinden umringt war.
Cipriano war dafür, weil er fand, es mache einen vertrauenswürdigeren Eindruck, wenn ein Mönch mit von der Partie wäre. Darauf wandte zwar Rodolfo ein, ich könne ja ebenfalls jederzeit mein Mönchsgewand tragen, was ich jedoch entschieden ablehnte. Ich war froh, dass ich die Kutte wieder los war.
Gleich nach dem ersten Nachtläuten trafen wir uns im Andron. Iseppo musste im Gang Schmiere stehen, während Rodolfo das Boot holte und Cipriano und ich derweil mit vereinten Kräften den fest verschnürten Rizzo zum Wassertor schleppten und ihn dort zum Einladen bereitlegten.
»Gott, das stinkt vielleicht«, stöhnte Cipriano.
Ich konnte nichts erwidern, weil ich mir Mund und Nase zuhielt, um nicht zu viel von dem Geruch einzuatmen, der dem Wachstuch entströmte. Iseppo hielt wohlweislich ausreichenden Abstand, er hatte immer noch Magenprobleme.
Gleich darauf kam Rodolfo mit dem Boot zurück. Es war nicht die Gondel von letzter Nacht, die, zum Leidwesen Franceschinas, allzu schnell wieder verschwunden war: Rodolfo hatte sie noch im Morgengrauen weggebracht, denn die Gefahr, dass der rechtmäßige Besitzer sein Eigentum zufällig vor der Ca’ Contarini entdeckte, war zu groß.
Diesmal hatte Rodolfo schon am Nachmittag einen alten Sàndolo von einem Händler aus der Nachbarschaft geborgt, sodass wir wenigstens nicht riskierten, als Diebe aufzufliegen. Außerdem hatte er ein paar schwere Steinbrocken beschafft, die beim Versenken der Leiche unverzichtbar waren.
Rodolfo führte das Ruder. Mit kraftvollen Bewegungen steuerte er das Boot quer durch Castello, bis wir die Küstenlinie erreicht hatten. Von dort fuhren wir in Richtung San Micheleein Stück weit aufs Meer hinaus, bis Rodolfo erklärte, dass wir nun weit genug draußen seien. Die Wasserfläche um uns herum war tintenschwarz, um einiges dunkler als der nächtliche Himmel, an dem hier und da funkelnde Sterne zu sehen waren. Die Lampen, die von Castello und Cannaregio herüberschienen, säumten das nördliche Ufer von Venedig wie ein Streifen aus matten Lichtperlen.
Gemeinsam hievten wir den mit Steinen beschwerten Leichnam über Bord und lauschten dem leisen Gluckern, als er versank. Zurück blieb nur die schwach bewegte Wasseroberfläche und etwas von dem üblen Gestank, der sich während der Fahrt auf dem Boot breitgemacht hatte.
»Nun ist er weg«, sagte Iseppo erleichtert. Als hätte er etwas vergessen, faltete er rasch die Hände. »Resquiescat in Pace!« 36
»Amen«, fügte Cipriano hinzu.
Wir ließen die Stelle, an der Rizzo sein nasses Grab gefunden hatte, so schnell wie möglich hinter uns und fuhren zurück. Diesmal führte ich das Ruder, und gegenüber dem ersten Mal stellte ich mich um einiges geschickter an, was Iseppo mehrmals bewundernd kommentierte. Die meiste Zeit aber sprach er mit Cipriano, den er mit einem wahren Schwall von Fragen überschüttete. Er
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