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Der König Der Komödianten: Historischer Roman

Titel: Der König Der Komödianten: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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hochfuhr, als der Wärter mit der Laterne die Zelle ausleuchtete und uns hineinstieß, nachdem er uns die Ketten abgenommen hatte.
    Der Kerl auf der Bank war Aldo. Als er mich sah, griff er nach seinem nicht vorhandenen Dolch, der noch vor nicht allzu langer Zeit in meinem eigenen Gürtel gesteckt hatte, bis die Wachen mich entwaffnet hatten.
    »Du!«, zischte er. Mit beiden Händen erwürgte er ein imaginäres Opfer, hörte aber sofort damit auf, als Rodolfo vortrat und ihn vielsagend anblickte.
    Hinter uns schloss sich knirschend die Zellentür, und notgedrungen suchte ich für mich und den schlotternden Iseppoeinen Platz zum Niedersetzen, solange der Wärter noch mit der Laterne auf dem Gang stand und ich etwas sehen konnte. Bei der Gelegenheit stieß ich zu meinem Schrecken auf Aldos Kumpan, der in der Unglücksnacht, als Rizzo sein Leben gelassen hatte, ebenfalls zugegen gewesen war. Immerhin schlief er tief und fest. Dafür hockte neben ihm noch jemand, den ich erkannte, und er war wach. Nummer zehn zerquetschte ein krabbelndes Etwas auf seiner Stirn und blinzelte zu mir hoch. Dann verschwand der Wärter, und mit ihm die Laterne. Die Zelle versank in tiefschwarzer Dunkelheit.

    Rodolfo befahl Aldo kurzerhand, die Bank zu räumen, was dieser, wenn auch rachsüchtig murrend, umgehend tat. Rodolfo wies Cipriano und Iseppo die Bank zu, und er selbst hockte sich zusammen mit mir davor auf den Boden, nicht ohne vorher alle Anwesenden zu informieren, dass jeder, der sich ihm weiter als bis auf Beinlänge nähere, am nächsten Morgen tot sei. Da er ohnehin wegen Mordes verhaftet sei, käme es auf einen mehr auch nicht an.
    Zwei oder drei der Häftlinge diskutierten tuschelnd, ob der Zwerg seine oder ihre Beine für den einzuhaltenden Abstand zugrunde lege, worauf Rodolfo ihnen erklärte, dass meine Beine maßgeblich seien, inklusive Füßen. Abschließend beschrieb er noch mit wenigen, aber aussagekräftigen Worten, wie das Opfer der ihm zur Last gelegten Tat jetzt aussah – dabei machte er Rizzo und den fremden Toten der Einfachheit halber zu einer Person –, worauf schlagartig Ruhe einkehrte.
    Als ich bei Tagesanbruch mit steifem Rücken und Halsweh aufwachte, konnte ich immerhin mit Fug und Recht feststellen, dass die hinter mir liegende Nacht nicht ganz so schrecklich war wie die erste, die ich hier verbracht hatte.
    Der Gestank und das Stöhnen der Männer um mich herum waren mir gleichsam bereits vertraut, ebenso wie derunvermeidliche Kübel, der alsbald von einigen Frühaufstehern in Gebrauch genommen wurde.
    »Keine Sorge, wir kommen gewiss noch heute hier heraus«, flüsterte ich Iseppo zu, der mit allen Anzeichen eines anhaltenden Schocks auf der Bank saß und benommen das Geschehen auf sich wirken ließ.
    Rodolfo hingegen stand hellwach und aufrecht da. Er öffnete und schloss angelegentlich seine schaufelartigen Pranken, und das bedrohlich klingende Knacken seiner Gelenke veranlasste Aldo, rasch die hasserfüllten Blicke zu senken. Sein Kumpan hatte eigene Sorgen – er saß von allen am längsten auf dem Kübel, und immer, wenn wir glaubten, nun sei er endlich fertig, gerieten seine Gedärme erneut in stinkenden Aufruhr.
    Der Wärter kam mit dem Morgenmahl – ein großer Krug Wasser nebst drei Bechern für insgesamt zwölf Männer, und dazu ein paar steinharte Brocken Schiffszwieback, um die sich alle balgten.
    »Da sind Löcher von Maden drin, das kann ich nicht essen«, sagte Iseppo mit versagender Stimme, nachdem es mir gelungen war, für uns beide einen vollen Becher und eine ordentliche Handvoll Zwieback zu ergattern.
    »Besser, du tust es«, gab ich leise zurück.
    »Warum? Bekommen wir sonst nichts?«
    »Doch. Aber sobald du das siehst, wirst du dich nach dem Zwieback sehnen.«
    Im Gang vor der Zelle erschien ein Wärter mit einem dicken Buch unterm Arm. Ich sprang auf und eilte zur Gittertür. »Das ist bestimmt für mich!«
    Er musterte mich eindringlich. »Ich verstehe, dass du Angst hast, etwas zu versäumen, bei der kurzen Zeit, die dir noch bleibt. Doch solltest du besser einen Teil dieser Zeit betend verbringen, statt dich im nächtlichen Pfuhl der Sünde zu suhlen.« Suchend glitten seine Blicke durch die Zelle. »Ah, da sind alle drei, genau wie sie sagte. Zwerg, Mönch, blondesEngelsgesicht. Verruchter geht es nicht! Ich verstehe, wie ihr zumute sein muss. Armes, vernachlässigtes kleines Ding, hört trotzdem nicht auf, dir gut zu sein!« Schnaubend reichte er mir das Buch, und dabei

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