Der König Der Komödianten: Historischer Roman
traf mich sein strenger Blick, in dem ich jedoch auch eine winzige Spur Verständnis wahrnahm. »Hier, vielleicht hilft dir die Heilige Schrift auf den rechten Weg zurück. Keiner soll mir vorwerfen, ich würde nicht dazu beitragen, eine verlorene Seele vor der ewigen Verdammnis zu bewahren.«
Ich hatte den deutlichen Eindruck, dass er sich nicht nur etliche Sonntagspredigten wortgetreu eingeprägt hatte, sondern dass Elena auch diesem Mann Behauptungen aufgetischt hatte, die jeder Grundlage entbehrten. Dennoch nahm ich dankend das Buch entgegen und drückte es an mich, und fast meinte ich dabei zu spüren, dass es noch warm von Elenas Armen war.
»Oh, du hast eine Bibel bekommen!«, sagte Iseppo frohgemut. »Nun können wir wenigstens aus den Evangelien Kraft schöpfen! Am besten liest du uns allen vor, dann werden wir uns rasch besser fühlen!«
Sofort fingen einige der Männer an zu maulen, und Aldo begann erneut, pantomimisch jemanden zu erwürgen, doch bevor es deswegen Streit geben konnte, wurde ich zum Verhör abgeholt.
Ich war darauf eingestellt, dass man mich wie beim letzten Mal auf direktem Wege zu Morosini bringen würde, weshalb ich mir nichts weiter dabei dachte, als das Wort Verhör fiel, doch dann merkte ich, dass ich nicht zu dem Amtszimmer des Zehnerrats geführt wurde, sondern ins oberste Stockwerk des Dogenpalastes.
»Gehen wir nicht zu Messèr Morosini?«, erkundigte ich mich.
»Nein«, kam es wortkarg zurück. Der Bewaffnete, der michaus der Zelle geholt hatte, marschierte dicht hinter mir und wies mir den Weg durch die vielen Flure, indem er mich jeweils in die richtige Richtung schubste.
»Wohin gehen wir?«, fragte ich mit wachsender Besorgnis.
»Zu den Verhörräumen«, sagte der Wachmann.
»Soll ich denn verhört werden?«
»Sonst würde ich dich nicht zu den Verhörräumen bringen, oder?«
»Aber ich werde doch nicht gefoltert, oder?«
»Halt’s Maul und lass dich überraschen.«
Blitzschnell wog ich meine Aussichten ab, mich der ungewissen Lage durch Flucht zu entziehen. Wie beim letzten Mal war ich nicht gefesselt. Zwar hatte ich auch keine Waffen, um mich notfalls meiner Haut zu wehren, doch ich konnte dem Wachmann das Buch an den Kopf werfen und ihn auf diese Weise ablenken …
Bevor ich weiter planen konnte, packte er mich beim Kragen und öffnete mit der freien Hand eine Tür, durch die er mich ohne Umschweife in einen Raum stieß, der noch schlichter war als Morosinis Amtszimmer, ein schmales, graubraun getäfeltes Gemach mit einem erhöht angebrachten Tisch und ein paar hochlehnigen Stühlen dahinter. An den Wänden gab es Borde mit ein paar zerfledderten Folianten und Papierstapeln. Die Fenster waren vergittert. Unwillkürlich hielt ich Ausschau nach dem Folterseil, sah es aber nirgends.
Der Wachmann befahl mir, zu warten, und klopfte an eine Tür, die in einen anderen Raum führte, und gleich darauf kam ein kräftig gebauter Mann in beeindruckender Amtsrobe herein, den ich nicht zum ersten Mal sah.
»Du kannst gehen«, sagte er zu dem Wachmann, der sich daraufhin gehorsam auf den Gang zurückzog.
Ich war wie vom Donner gerührt. Nie und nimmer hatte ich damit gerechnet, Celsi an diesem Ort wiederzusehen! Inzwischen wusste ich zwar, dass viele der reichen Patrizier nicht nurHandelsgeschäften nachgingen, sondern zugleich oft einflussreiche politische Ämter bekleideten; dennoch war die Überraschung gewaltig.
»Wenn es wegen der Öfen ist, finden wir bestimmt eine Lösung«, sagte ich hastig. »Ihr werdet Euer Geld pünktlich bekommen! Die vereinbarte Zahlungsfrist wird eingehalten!«
»Dessen bin ich gewiss. Was hast du da?«
»Oh … äh, nur eine Bibel.«
Er streckte die Hand aus. »Lass sehen.«
Mit mulmigen Gefühlen reichte ich ihm das Buch.
Er blätterte darin herum und hob die Brauen. »Ein hübsches Blendwerk, das die Kleine dir da in die Giardini gebracht hat.«
»Sie wusste es nicht!«, stieß ich hervor. »Sie ist nur ein Mädchen und kann nicht richtig lesen!«
Celsi blätterte weiter und hielt inne. »Interessante Notizen«, sagte er.
»Die sind uralt!«
»Tatsächlich«, sagte Celsi, aufmerksam lesend. Schließlich legte er das Buch auf den Tisch. »Ich will es mir später noch in Ruhe ansehen.«
»Bitte!«, brachte ich verzweifelt hervor. »Ihr dürft Elena keine Vorwürfe wegen des Buchs machen! Sie handelte in gutem Glauben! Es ist ganz allein meine Schuld!«
»Du magst sie wohl, oder? So sehr, dass deine Fürsprache auch härteren
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