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Der König Der Komödianten: Historischer Roman

Titel: Der König Der Komödianten: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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über den Nabel hochgerutscht, er lag wie ein bleicher, verkrümmter Frosch mit nacktem Hintern vor mir. Sein Hemd war mit Blut verschmiert.

»Er ist verletzt!«, rief ich entsetzt.
    »Nicht er«, sagte einer der Bewaffneten. Er schob seine Pike in das treibende Bündel, wälzte es im Wasser herum und zog es heran, bis wir alle im Schein der Fackeln sehen konnten, worum es sich handelte. Es war eine männliche Leiche, die nun, da sie auf dem Rücken trieb, hell wie ein weißbäuchiger Fisch schimmerte, weil der Sack, in den sie gehüllt war, vorn aufklaffte. Zwischen den Beinen leuchtete es rot, und es war zu sehen, dass dort ein paar entscheidende Teile fehlten.
    »Aber es war doch nur ein einziger Hoden!«, entfuhr es mir.
    »Dachte ich mir doch, dass du damit zu tun hast!« Die Pike fuhr aus dem Wasser und zeigte auf meine Brust.
    »Der Tote da ist nicht Rizzo«, zischte Cipriano mir ins Ohr. »Oder dachtest du etwa, er wäre uns aus alter Anhänglichkeit hinterhergeschwommen?«
    Inzwischen hatte ich es auch begriffen und verfluchte mich stumm wegen meiner ebenso dämlichen wie unbedachten Äußerung.
    »Ich habe ihn angefasst!«, wiederholte Iseppo heulend.
    »Der Mönch steckt also auch mit drin«, sagte einer der Wachen.
    »Das meinte er doch gar nicht«, widersprach Cipriano. »Er wollte lediglich zum Ausdruck bringen, dass er diese Leiche versehentlich angefasst hat und dann auf sie gefallen ist. Gerade eben. Vorher nicht, auf gar keinen Fall. Wir kennen den Kerl überhaupt nicht!«
    »Ja, sicher«, sagte einer der Bewaffneten. »Er war nur gerade so in der Gegend, just als ihr des Weges kamt und dann zufällig auf ihn draufgefallen seid.« Er deutete mit seinem Spieß auf Iseppos nackten Hintern. »Und dabei euren Spaß hattet. Dabei wurde es wohl ein bisschen zu ruppig, was?«
    »Das Ganze ist einfach lächerlich«, brummte Rodolfo.
    »Ein unbeschreiblicher, verrückter Zufall«, pflichtete Cipriano ihm bei.
    »Das behaupten sie alle«, erklärte der Bewaffnete. »Besonders die Perversen.«
    Und dann wurden wir in Ketten gelegt und zum Gefängnis gebracht.

    Auf dem Weg dorthin unterhielten sich die Wachen feixend darüber, wie dumm manche Verbrecher doch seien, in diesem Falle wir, da wir versucht hätten, unser Opfer in Sichtweite vom Ufer im Meer zu versenken, und das auch noch an einer Stelle, wo regelmäßig Patrouillen unterwegs waren.
    Rodolfo knirschte hörbar mit den Zähnen, konnte aber schlecht den Sachverhalt dahingehend korrigieren, dass wir sehr wohl weit genug hinausgefahren seien und dass uns die zweite Leiche bloß zufällig untergekommen sei.
    Iseppo saß neben mir, tropfnass, frierend und hin und wieder von erstickten Schluchzern geschüttelt. Cipriano starrte ergrimmt geradeaus. »Welche Parzen haben sich gegen uns verschworen?«, hörte ich ihn einmal murmeln. Das war noch milde ausgedrückt, wobei es ihn besonders getroffen hatte: Die Ordnungshüter hatten den verstümmelten Toten so nah bei Cipriano abgelegt, dass er gleichsam auf Tuchfühlung mit dem triefenden Leichnam saß und wegen der auf dem Boot herrschenden Enge keinen Fingerbreit zur Seite rücken konnte.
    Wie sich herausstellte, war ein Seil um den Hals des Toten geschlungen. Irgendwer, mit dem nicht zu spaßen war, hatteden armen Kerl aufgeknüpft und kastriert und anschließend dafür gesorgt, dass er den Fischen Gesellschaft leistete.
    »Mein Onkel sollte umgehend von meiner Verhaftung erfahren«, sagte ich laut, als wir endlich die Anlegestelle beim Dogenpalast erreicht hatten, wo uns die Wachen unter rüden Fausthieben aus dem Boot scheuchten.
    »Welcher Onkel?«, fragte Iseppo. »Ich dachte, der wäre tot.«
    »Wirklich? Dann müssen wir ihn ja nicht benachrichtigen«, meinte einer der Wachmänner süffisant.
    »Er ist gesund und munter und sollte schnellstens Bescheid wissen«, beteuerte ich.
    »Alles geht seinen amtlichen Gang«, sagte der Ordnungshüter, während er mich durch das Tor des Palastes schubste. »Heute Nacht kriegst du erst mal ein gemütliches Eckchen in den Giardini, so wie immer.«
    Das gemütliche Eckchen befand sich in derselben Zelle, in der ich auch das letzte Mal genächtigt hatte. Leider war sie immer noch rettungslos überfüllt, sodass für die Insassen bei vier Neuzugängen kaum noch Platz blieb, ringsum an der Wand zu hocken – eng zusammengedrängt und mit angezogenen Beinen.
    Auf der steinernen Bank lag jedoch, anders als beim letzten Mal, nur ein einziger Häftling, der wütend

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