Der König Der Komödianten: Historischer Roman
geradezu eruptiv entlud, wenn auch nur schriftlich. Euphorisch setzte ich Satz an Satz – was für ein Hochgenuss, auf Papier zu schreiben, das Kratzen der Feder im Ohr, den sachten Fluss der Tinte vor Augen! Nach einer Weile reichten mir die bekannten Verse nicht mehr, ich fügte rasch selbst ersonnene hinzu und schwelgte in Wortgebilden voller köstlicher Andeutungen.
Mit und ohne Versmaß fabulierte ich über Brüste und Hüften in allen Varianten, erwähnte sogar, kühner werdend, die weibliche Leibesmitte – wenngleich mir mangels anatomischer Kenntnisse hierzu keine passende Lyrik einfallen wollte –, dafür aber den Schenkeln, so bebend weiß , ja, sogar den Füßen, lockend zart gegliedert , vermochte ich eine besondere erotische Konnotation zu verleihen.
Irgendwann riss ich mich aus meinem fieberhaften Schreibrausch, las mit wachsendem Entsetzen das, was ich da aufs Papier geworfen hatte, und konnte mich dennoch nicht gegen die Erregung wehren, die mich beim Anblick meines Elaborats abermals überkommen wollte. Ich schluckte und war drauf und dran, alles in Fetzen zu reißen, doch dann hörte ich die Schritte. Eilig ergriff ich den vollgekritzelten Bogen sowie das verräterische geöffnete Tintenfass mitsamt noch tropfenderFeder und huschte in den kleinen Nebenraum, wo die Papiervorräte und alle anderen Schreibutensilien aufbewahrt wurden. Dort ließ ich das beschriebene Blatt in einem der dicken Papierstapel verschwinden und drückte mich mit angehaltenem Atem gegen die Wand, während sich nebenan die Tür zum Scriptorium öffnete.
Derweil die Tür noch knarrte, erdachte ich geschwind eine glaubhafte Ausrede: Ich wollte gerade neues Papier zum Falzen und Zuschneiden holen! Passend dazu schnappte ich mir den Stapel, in dem mein verräterisches Blatt versteckt war. Tintenfass und Federkiel verbarg ich mit der freien Hand hinterm Rücken.
Doch ich kam gar nicht in die Verlegenheit, wegen meines fehlgeleiteten Arbeitseifers flunkern zu müssen, denn nicht Bruder Ottone hatte das Scriptorium betreten, sondern Bruder Hieronimo, und er war nicht allein.
Die Stimme desjenigen, der mit ihm hereingekommen war, kannte ich nicht, aber auch so war ich sicher, dass es keiner der Mönche war, denn der Prior sprach in respektvollem Ton mit ihm. »Hier hätte der Junge eigentlich sein müssen. Er hilft unserem Scriptor bei der Arbeit. Sicher ist er nur kurz zum Abtritt gegangen und kommt gleich zurück.«
»Fügt er sich gut in das Klosterleben ein?«
Ich meinte förmlich zu sehen, wie Bruder Hieronimo anstelle einer Antwort die Achseln zuckte.
»Das Leben in einer streng organisierten Gemeinschaft wie der eines Klosters ist nach einer so ungezwungenen Jugend bestimmt nicht einfach«, fuhr der Fremde fort.
»Wir behandeln ihn sehr gut«, betonte Bruder Hieronimo, wie um einem Vorwurf vorzubeugen. »Die Arbeit ist leicht, und zu essen gibt es reichlich. Wir haben ihn noch nie bestraft, obwohl er es gelegentlich durchaus verdient, weil es ihm an Zucht und Demut gebricht.«
Fast hätte ich das Tintenfass fallen lassen.
»Und Ihr habt keine Sorge, dass er plötzlich … verschwinden könnte?«, wollte der Fremde wissen.
Ich hielt die Luft an. Was meinte er mit verschwinden ? In eine Schlucht fallen? Oder in eine tiefe, tödlich heiße Therme?
»Warum sollte er?«, fragte der Prior.
»Nun ja. Kennt Ihr eigentlich die Geschichte seiner Herkunft?«
Ich hielt immer noch den Atem an. Mir war bereits schwindlig davon, doch es war völlig unmöglich, jetzt Luft zu holen.
»Mir ist bekannt, dass seine Eltern sowie auch die übrigen Verwandten starben, als er noch ein Säugling war, und dass Vittore Ziani den Jungen zu sich nahm.«
»Wisst Ihr denn, warum Vittore Ziani das Kind von Venedig aufs Land brachte?«
Venedig! Ich war schon einmal in Venedig gewesen, vielleicht sogar dort geboren!
»Soweit ich weiß, tat er es wegen der damals herrschenden Pest, welche die ganze Familie dahinraffte. Später blieb Messèr Ziani auf dem Land, weil es ihm dort gefiel.«
» Frater , seid Ihr sicher, dass Ihr nicht mehr darüber wisst?«
»Worüber?«
»Was damals wirklich geschah.«
Was denn nur, um Himmels willen? Unseligerweise musste ich atmen, es ging nicht anders, doch da ich dabei kein Geräusch machen durfte, weil man mich sonst gehört hätte, tat ich es auf so lang gezogene, behutsame Weise, dass es beinahe so anstrengend war wie das Luftanhalten. Ich kam mir vor wie ein gestrandeter Fisch.
Der Prior räusperte
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