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Der König Der Komödianten: Historischer Roman

Titel: Der König Der Komödianten: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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sich. »Nun, ich weiß nichts, nur was im Testament steht. Mehr ist mir nicht bekannt.«
    »Dafür ist allgemein bekannt, dass Euer Kloster ein Fass ohne Boden ist«, sagte der Fremde.
    »Was wollt Ihr damit zum Ausdruck bringen?«
    »Dass Ihr Geld braucht.«
    »Wer braucht das nicht? Ich bin ein verantwortungsbewusster Prior und liebe dieses Kloster! Ich kam schon im Alter von zehn Jahren hierher, seitdem ist es mir Hort und Heim! In demütiger Dienstbarkeit und aus Liebe zu Gott sowie zu meinen Glaubensbrüdern trage ich die Last der Verantwortung seit Jahrzehnten und werde ihrer auch niemals müde sein, bis der Herr mich dereinst ins Himmelreich ruft. Und glaubt mir, es ist eine Sisyphus-Aufgabe! Längst geht es den Klöstern nicht mehr so gut wie noch vor hundert Jahren. Das große Schisma, die scheußlichen Kriege – die Heilige Kirche ächzt unter dem Wandel, und den Ordensgemeinschaften ergeht es nicht anders, vor allem, was die kleinen, abseits gelegenen Klöster betrifft. Der Zustrom reicher Novizen, der in den venezianischen Klöstern niemals abreißt und dort für stetig wachsenden Wohlstand der Brüder sorgt, ist für uns, die wir Gott in den weniger zivilisierten Landstrichen dienen, ein Wunschtraum.« Außer Atem hielt der Prior in seiner leidenschaftlichen Ansprache inne.
    Der Fremde ergriff wieder das Wort. »Und da kommt Euch das Noviziat dieses Marco Ziani gerade recht.«
    »Er wurde uns als Mündel anvertraut. Wir erhalten nur die Erträge aus dem Vermögen und dazu einen kleinen Obolus, weiter nichts. Das ist gerecht in den Augen des Herrn und nach dem Buchstaben des Gesetzes, denn so wollte es der werte Vittore Ziani. Außerdem soll diese Regelung nur bis zur Großjährigkeit des Jungen gelten. Was sind schon die paar Jahre! Höchstens das Äquivalent einer Orgel. Vielleicht noch ein Anbau für das Dormitorium. Aber gewiss nicht mehr.«
    »Anders wäre es nur, wenn der Junge vorzeitig stirbt, nicht wahr?
    »Ihr seid schlimmer als dieser vermaledeite Notar«, versetzte Bruder Hieronimo empört. »Immer diese Unterstellungen, nur weil testamentarisch vorgesehen ist, dass unser Kloster im Falle eines frühzeitigen Hinscheidens des Jungen …«
    »Ich habe überhaupt nichts unterstellt, sondern nur eine Tatsache erwähnt. Mehrere, um genau zu sein, nämlich erstens, dass Ihr Geld braucht, und zweitens, dass der Tod des Jungen Euer Kloster auf einen Schlag reich machen würde. Ist das nicht so?« Die Frage des Fremden klang irgendwie … aufmunternd?
    »So, wie Ihr redet, hört es sich an, als würdet Ihr … ähm, hässliche Pläne wälzen«, sagte der Prior langsam. Es klang irgendwie … zustimmend?
    Ich hätte alles darum gegeben, in diesem Moment sein Gesicht sehen zu können! In meiner Vorstellung tropfte ihm der Geifer der Geldgier von den Lippen, und in seinen Augen glomm das unheilige Leuchten unterdrückter Mordlust. Mir war schlecht, und das nicht nur vom allzu vorsichtigen Atmen.
    »Ich merke schon, es besteht Bedarf, gewisse Dinge eingehender mit Euch zu disputieren«, sagte der Fremde.
    »Das scheint mir auch so«, sagte der Prior.
    »Aber vielleicht besser nicht unbedingt hier.«
    »In der Tat. Ein anderer Ort wäre geeigneter. Zumal sicher gleich der Junge zurückkommt.«
    »Der dieses Gespräch nicht unbedingt hören sollte.« Der Fremde lachte, es klang wie schartiges Eisen, das auf Stein kratzt.
    »Wir können einen Spaziergang außerhalb der Klostermauern unternehmen«, schlug der Prior vor.
    »Gegen frische Luft habe ich nichts einzuwenden.«
    Das Geräusch sich entfernender Schritte wurde abgelöst vom Knarren der Tür, und dann herrschte eine Stille, in der nur das Dröhnen meines Herzschlags zu hören war – und gleich darauf ein keuchender, tiefer Atemzug, mit dem ich meine Lungen füllte. Ich wartete noch eine Weile, bis ich sicher sein konnte, dass der Prior und der Fremde weit genug entfernt waren, dann eilte ich mit eingezogenem Kopf auf direktem Wege ins Dormitorium.
    Erst als ich dort angekommen war, bemerkte ich, dass ich den Papierstapel und das Schreibzeug mitgenommen hatte. In der Zelle legte ich alles ab und blieb mit geballten Fäusten mitten im Raum stehen. Am liebsten hätte ich den Riegel vorgeschoben, doch der war nur vom Gang aus zu betätigen.
    Mein Atem ging immer noch keuchend, während ich meine nächsten Schritte überlegte. Unbestreitbar war es höchste Zeit für einen Ortswechsel. Keinesfalls würde ich wie ein Lamm auf der Schlachtbank darauf warten,

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