Der König Der Komödianten: Historischer Roman
gerissen, doch das musste warten.
»Was ist los?«, fragte ich irritiert.
Giovanni war vor einem Haus stehen geblieben. »Hier lebte der berühmte Jacopo Robusti, genannt Tintoretto.«
»Der, von dem die Fresken in deinem Gemach stammen? Wieso lebte ?«
»Er starb vorige Woche.« Giovanni deutete betrübt auf die nahe Kirche. »Da liegt er begraben. Es gibt dort herrliche Gemälde von ihm!«
»Falls du vorhattest, sie dir heute anzusehen, hat das hoffentlich Zeit bis nachher«, sagte ich.
»Du kannst es wohl kaum erwarten, was?«
»Nein, mir ist nur heiß.« Und die Hitze zeitigte Folgen. Ich merkte, wie sich der Bart von meiner rechten Wange zu lösen begann. Entnervt hielt ich ihn fest.
Giovanni grinste. »Nur die Ruhe, Bruder. Meinethalben kann es losgehen.« Er bezog unter dem Relief eines steinernen Handelsherrn Stellung und ahmte dabei zum Spaß dessen Haltung und gestrenge Miene nach. Unter anderen Umständen hätte er mich damit zum Lachen gebracht, doch ich war zu aufgeregt, um es lustig zu finden.
»Dann gehe ich jetzt mal«, sagte ich.
»Lass dich nicht ins Bockshorn jagen. Denk dran, dass wir zu zweit sind und den Trumpf der Überraschung in der Hand haben.«
Ich nickte und marschierte quer über den Platz zu der Herberge, in der Messèr Barbarigo und Bruder Hieronimo wohnten. Auf mein Klopfen hin tat mir eine Dienstmagd auf. Ich warf mich in Positur und verlangte mit schnarrender Stimme, den Prior Hieronimo aus dem Veneto zu sprechen, in einer wichtigen geschäftlichen Angelegenheit.
»Wie ist Euer Name, werter Herr?«, fragte sie.
»Ich bin ein Vertrauter von Marco Ziani.«
Sie bat mich zu warten und kehrte gleich darauf zurück. »Er lässt Euch zu sich bitten.«
»Ich will hier draußen mit ihm reden.«
Sie blickte erstaunt drein, stellte mein Ansinnen aber nicht infrage und kam kurz darauf mit einem schnaufenden Bruder Hieronimo zurück. Auch er litt sichtlich unter der Hitze. Sein fassförmiger Leib wirkte unter der verkrumpelten Kutte noch gewaltiger als sonst, und sein feistes Gesicht triefte vor Schweiß. »Wer seid Ihr?« Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. »Ich kenne Euch!« Er kam einen Schritt auf mich zu,und ich wich einen zurück, um außerhalb seiner Reichweite zu bleiben. »Marco! Marco Ziani! Bist du das etwa?«
Mannhaft kämpfte ich gegen den Drang zum Weglaufen an.
»Mitnichten«, näselte ich, in vorgeblich nachdenklicher Pose den vermaledeiten Bart an die Wange drückend. »Ich bin nur ein Cousin, was eine gewisse Ähnlichkeit erklärt. Aber Ihr müsst zugeben, dass ich korpulenter bin als Marco. Vergleicht selbst – er steht nämlich dort drüben.« Ich wies mit der freien Hand zur gegenüberliegenden Seite des Platzes, wo Giovanni stand und freundlich herüberwinkte.
Der Prior fuhr zusammen. »Wahrhaftig! Er ist es!« Er sah nun keinen Grund mehr, mir zu misstrauen. Impulsiv marschierte er los, auf Giovanni zu. Laut befahl ich ihm, sofort stehen zu bleiben, anderenfalls die Unterredung beendet sei und Marco Ziani verschwinde.
Irritiert blieb der Prior stehen. »Was soll das? Was wollt Ihr überhaupt?«
»Ich komme auf Geheiß von Marco. Dieser hätte einige Fragen an Euch, die zu stellen er mir aufgetragen hat. Er selbst lehnt es ab, in Eure Nähe zu kommen, um einer Verschleppung vorzubeugen.«
»Von Verschleppen kann gar keine Rede sein!«, sagte der Prior empört. »Ich will ihn doch nur retten!«
»Vor wem?«
»Vor den sittenlosen Schauspielern! Vor dem Notar!«
»Was will denn der Notar von Marco?«
»Natürlich das Geld aus dem Erbe, was sonst.« Der Prior stieß ein wütendes Schnauben aus.
»Wie soll das gehen? Fällt etwa ihm laut Testament das Erbe meines Cousins Marco zu, wenn ich … ähm, dieser verstirbt?«
»Nein, einen Teil erhielte das Kloster, dem ich vorstehe, aber den weitaus größten und wirklich gewaltigen Anteilbekäme im Falle von Marcos Ableben der intrigante Patrizier als nächster Anverwandter«, sagte der Prior ungeduldig.
Das musste der Fremde sein! Mir schwirrte der Kopf. »Was ist mit diesem Patrizier? Wie, sagtet Ihr, lautet sein Name?«
»Ich sagte gar nichts und werde es auch nicht tun. Sobald Marco den Namen erfährt und den Patrizier entlarvt, wird dieser erst recht kurzen Prozess machen. Bislang scheute er vor offenem Mord zurück, weil ich noch in der Stadt bin und ihn auffliegen lassen kann. Aber dem Notar traue ich alles zu! Ich halte mich nur deshalb von diesem verderbten Theater fern, weil ich
Weitere Kostenlose Bücher