Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der König Der Komödianten: Historischer Roman

Titel: Der König Der Komödianten: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
Vom Netzwerk:
befürchte, er könne mir folgen und so Marcos Aufenthaltsort herausfinden! Barbarigo verkörpert das Böse schlechthin, so wie alle Advokaten! Ihm muss Marco aus dem Weg gehen! Sagt ihm das!« Beschwörend blickte er zuerst mich an, dann starrte er zu Giovanni hinüber, als könne er diesen durch die Kraft seines Willens zwingen, ihm zu gehorchen.
    »Seid dessen gewiss.« Ich rang noch immer darum, den Sachverhalt zu begreifen. »Aber wenn doch nicht dem Notar das Erbe zufällt, sondern hauptsächlich dem Patrizier – wieso muss ich … ähm, Marco dann den Notar fürchten?«
    »Weil die beiden gemeinsame Sache machen!«, rief der Prior erregt. »Sie teilen sich die schmutzige Arbeit – und danach das Vermögen! Denn wird Marco erst großjährig, ist es vorbei mit ihrer Aussicht auf das Geld! Dann kann er nämlich nach Gutdünken selbst seine Erben bestimmen.«
    »Zum Beispiel Euer Kloster?«
    »Ein gut gewähltes Beispiel«, pflichtete der Prior mir inbrünstig bei. »Das wollen sie um jeden Preis verhindern! Deshalb werden sie nichts unversucht lassen, alles an sich zu reißen! Aus diesem Grund muss ich Marco vor diesen Hyänen in Sicherheit bringen. Hinter den Mauern meines Klosters wird ihm nichts geschehen! Ich lasse nicht zu, dass er stirbt!«
    Außer vor Langeweile, dachte ich.
    »Worin besteht denn das Erbe?«, wollte ich wissen.
    »Es ist viel«, sagte der Prior schlicht. Er hob sich auf die Zehenspitzen und breitete die Arme aus. »Marco, komm mit mir!«, schrie er. »Ich will nur dein Bestes!«
    Ich fuhr zusammen, als mein Name so unvermittelt herausgebrüllt wurde. Abermals machte Bruder Hieronimo Anstalten, sich Giovanni zu nähern. Der nahm wie vereinbart augenblicklich Reißaus.
    Der Prior ließ einen enttäuschten Ausruf hören, bevor er sich wieder zu mir umwandte.
    »Bitte«, sagte er drängend. »Bringt ihn zu mir! So schnell wie möglich! Es soll Euer Schaden nicht sein!«
    »Ich werde alles mit meinem Cousin Marco besprechen«, versicherte ich dem Prior.
    Mein Gesicht unter dem Bart juckte höllisch, und mittlerweile musste ich auch die zweite Hand zu Hilfe nehmen, um ihn an Ort und Stelle zu halten. Hastig ergriff ich die Flucht.
    »Gehabt Euch wohl!«, rief ich, mit Riesenschritten davoneilend.
    »Aber wann werdet Ihr …« Seine verwirrte Stimme brach mitten im Satz ab, während ich im Laufschritt um die nächste Ecke bog.

    Wir hatten uns am Ufer hinter der Madonna dell’ Orto niedergelassen und ließen die Beine baumeln, den Blick auf San Michele und Murano gerichtet. Das Meer plätscherte unter unseren Füßen an die Kaimauer, und eine frische Brise zauste uns das Haar. Ich hatte den in Auflösung begriffenen Bart sowie das Kissen entfernt und die Jacke geöffnet, da ich anderenfalls von der in meinem Körper angestauten Hitze einen Kollaps erlitten hätte. Zur Aufrechterhaltung der Maskerade hatte ich mir den Hut tiefer ins Gesicht gezogen, in der Hoffnung, es möge ausreichen, zufällige Beobachter von unserer Ähnlichkeit abzulenken.
    »Ganz klar, der Kerl lügt«, sagte Giovanni, nachdem ich ihm von der Unterhaltung mit dem Prior berichtet hatte.
    »Ich weiß nicht«, meinte ich. »Gewiss, nach allem, was ich im Scriptorium belauschte, sollte ich ihm keinen Deut trauen. Aber eben gerade kam er mir komischerweise ehrlich vor. Als wollte er mich wirklich beschützen.«
    »Das will er ja auch! Weil er sich viel mehr verspricht als das mickrige Legat, das dem Kloster im Falle deines frühzeitigen Todes zufiele. Er will alles! Deshalb baut er darauf, dich bis zu deiner Volljährigkeit in einen willigen Betbruder zu verwandeln, getreu dem Gebot, dass Geben seliger ist denn Nehmen. Misslingt ihm das, kann er sich immer noch entschließen, dich in eine dieser tödlich heißen Thermen zu werfen, die es in der Gegend gibt, und sich anschließend mit dem Legat begnügen.«
    Ich stutzte, als Giovanni die Thermen erwähnte, anscheinend trieben ihn ähnliche Vorstellungen um wie mich. »Aber schon das Legat muss eine Menge wert sein!«, wandte ich ein. »Ich hörte den Fremden im Scriptorium sagen, dass es das Kloster auf einen Schlag steinreich machen würde!«
    »Steinreich ist relativ. Viele Leute glauben zum Beispiel, ich wäre es.«
    »Bist du es denn etwa nicht?«, fragte ich überrascht.
    Giovanni zuckte die Achseln. »Es ist weit weniger da, als ich es mir früher in meinen naiven Vorstellungen ausgemalt hatte. Bei Licht betrachtet erweisen sich so manche Preziosen als Schall und

Weitere Kostenlose Bücher