Der König Der Komödianten: Historischer Roman
Rauch.«
»Aber die Sachen im zweiten Stock … der Sommerpalast an der Brenta …«
»Sind garantiert unterm Strich nur einen Bruchteil von dem wert, was du von diesem Vittore Ziani geerbt haben musst. Ich habe in den letzten Tagen Erkundigungen über ihn eingezogen. Er war reich wie Krösus. Das Konsortium, das seit seinem Wegzug aus der Stadt treuhänderisch seine Besitztümerverwaltet, kommt kaum nach mit dem Geldscheffeln. Es gibt Häuser, Konten, Wertpapiere, Manufakturen, Lagerbestände – ein enormes Vermögen, so viel steht fest. Du bist sozusagen ein gemachter Mann. Vorausgesetzt, du kriegst es hin, dir deine Feinde vom Hals zu schaffen, ohne dabei umzukommen.«
Mir war schwindelig. Wenn Onkel Vittore wirklich so reich gewesen war – wieso hatten wir dann dieses bäuerliche, einsame Leben geführt?
Diese Frage war allerdings zweitrangig gegenüber allen anderen, die es noch zu klären galt. Vor allem jene, die ich dem Notar stellen wollte. Sobald sich wieder eine Gelegenheit dazu ergab.
»Bereit für den zweiten Teil des Stücks?«, fragte Giovanni.
»Der Bart ist ab«, erklärte ich. »Ich kann ihn ohne Kleber nicht festmachen. Der Hut allein reicht als Tarnung nicht aus. Wir müssen das Gespräch mit dem Notar also verschieben.«
Giovanni schüttelte den Kopf. »Müssen wir nicht. Wir können improvisieren.«
»Und wie?«
»Schreibst du die Stegreifstücke oder ich? Denk dir was aus!«
Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass es allein Giovannis Idee war, einen Boten zu dem Notar zu schicken und ihn zu den Fondamente Nuove zu bestellen.
Die Uferbefestigung war noch teilweise im Bau begriffen, aber von schnurgerader Ausrichtung und daher bestens einsehbar, sodass schon von Weitem zu erkennen war, ob der Notar wie gefordert allein käme.
Das tat er wirklich. Mit wehender Robe kam er herangeeilt, wie eine zerfledderte, zu groß geratene Krähe. Sein hageres Gesicht war von Sorge verkniffen.
In Ermangelung einer geeigneten Verkleidung gingen wir die zweite Etappe unseres Vorhabens offensiver an: Ich hatteJacke und Hut abgelegt, mich hinter einem Berg aufgeschichteter Ziegel verborgen und trat einfach hervor, als der Notar näher kam.
Er schrie vor Schreck auf, hielt aber nicht inne. Die letzten noch fehlenden Schritte legte er beinahe rennend zurück.
»Marco Ziani! Du garstiger Junge! Wo hast du dich die ganze Zeit versteckt?«
Ich zog mein Rapier. »Bleibt besser dort stehen.« Dem zerlumpten Fischerjungen, den wir als Boten angeheuert hatten, warf ich den versprochenen zweiten Teil der Entlohnung zu. Er fing die Münze aus der Luft und verschwand in der nächsten Gasse.
»Aber ich will dir doch nichts tun!«, beschwor mich der Notar, der in sicherer Entfernung stehen geblieben war. »Im Gegenteil!«
»Gleich werdet Ihr behaupten, dass Ihr mich nur vor dem raffgierigen Prior und dem intriganten Patrizier beschützen wollt«, spottete ich.
Bass erstaunt blickte er mich an. »Woher weißt du das?«
»Ich habe übernatürliche Kräfte«, erklärte ich. »Sie befähigen mich, die Gedanken anderer zu lesen. Außerdem kann ich tote Gegenstände zum Leben erwecken und ihnen meine Gestalt verleihen.«
Der Notar runzelte die Stirn. »Du hast eine lebhafte Fantasie. Das fiel mir schon auf unserer Reise durch den Wald auf.«
»Ich werde es Euch beweisen«, widersprach ich. »Aber zuerst sollt Ihr Euch rechtfertigen, Messèr Barbarigo. Was treibt Euch dazu, nach meinem Vermögen zu gieren?«
Er straffte sich. »Welch bodenlose Unverschämtheit! Ich will dich beschützen, und so dankst du es mir!«
»Dann erklärt mir, warum Ihr seit Monaten hinter mir her seid!«
»Um dich vor Schaden zu bewahren, das sagte ich doch! DieSachlage hat sich zu deinen Ungunsten geändert!« Er holte Luft und sammelte sich, um dann in ruhigerem Tonfall fortzufahren: »Zu Beginn musste ich mich nur darum sorgen, dass der Prior seiner Gier nachgibt und dich vergiftet, ertränkt, erschlägt oder dich sonstwie deinem Schöpfer überantwortet, um sich in den Besitz des Legats zu bringen. Allerdings war ich überzeugt, dass dir wahre Gefahr erst zur Zeit deiner Großjährigkeit droht, da er versuchen würde, lieber alles auf einmal an sich zu bringen.«
»Indem er die Zeit für sich arbeiten lässt und mich durch Gebete und Langeweile in einen willenlosen Kuttenträger verwandelt, der sich bei Erreichen der Großjährigkeit keinen besseren Dienst am Herrn vorstellen kann, als sein gesamtes Vermögen dem Kloster zu
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