Der König Der Komödianten: Historischer Roman
Schauspieler, der bis vor ein paar Monaten Mitglied unserer Truppe war. Bernardo hat gedroht, ihn umzubringen. Genau genommen hat er es sogar zweimal versucht. Nach dem zweiten Mal hat Claudio es vorgezogen, zu verschwinden. Die Stiefel hat er mitgehen lassen, obwohl sie eigentlich zum Fundus gehören. Kürzlich hörte ich, dass er bei den Fedeli ist.«
»Ah, die Fedeli«, sagte ich, ohne den Hauch einer Ahnung, worum es ging. Rasch probierte ich die Schuhe an und war erfreut, dass sie passten.
»Behalte sie gleich an«, empfahl mir Cipriano. »Und bring nach dem Baden unbedingt dein Mönchsgewand wieder mit. So ein Kostüm fehlt uns noch in unserem Fundus. Wer weiß, vielleicht haben wir ja doch eines Tages ein neues Stück, möglicherweise sogar eines, in dem ein Mönch vorkommt.«
Bevor ich ging, versorgte er mich noch mit frischem Unterzeug aus seinen eigenen Kleiderbeständen und ermahnte mich zum Abschied, Baldassarre wirklich nicht aus den Augen zu lassen.
Der Alte wartete bereits unten vor dem Haus auf mich. Er empfing mich mit freundlichem Lächeln und stellte mir viele Fragen, während wir durch die Gassen schlenderten. In groben Zügen berichtete ich ihm von meinem bisherigen Leben, was mangels erwähnenswerter Ereignisse rasch geschehen war. Den Grund für meine Flucht aus dem Kloster sparte ich aus, ebenfalls die Umstände, die dazu geführt hatten, dass ich überhaupt erst hineingekommen war.
Dafür hatte Baldassarre um so mehr zu erzählen, es waren kaum Fragen nötig, um ihn in Schwung zu bringen. Seine Geschichten waren zwar nicht ganz so phantastisch wie die vom Vater unseres Priesters, aber dafür waren seine Berichte über die Seeschlacht von Lepanto so wortgewaltig, abenteuerlich und farbenprächtig, dass ich ihm stundenlang hätte zuhören können. Nach einer ganzen Weile ging mir auf, dass es genau darauf hinauslief, denn es läutete soeben zur Terz. Wir hatten gut und gerne eine Strecke zurückgelegt wie die von unserem Landgut bis zum Dorf und halb wieder zurück. In mir wuchs der Verdacht, dass Baldassarre möglicherweise gar nicht wusste, wo das Badehaus war.
Gleich darauf merkte ich, dass wir an einem Gebäude vorüberkamen, das wir vor geraumer Zeit schon einmal passiert hatten.
»Messèr Baldassarre, waren wir hier nicht bereits?«, fragte ich vorsichtig. »Mir scheint, wir bewegen uns … im Kreis?«
»Was? Ach, Unfug. Aber wie es der Zufall will, sind wir soeben an unserem Ziel angekommen. Gleich dort drüben ist das Badehaus.« Er blieb stehen und deutete quer über den Platz. »Erzählte ich schon, dass ich da einen bemerkenswerten Spanier traf ?«
»Im Badehaus?«
»Nein, auf einem Schiff, während der Seeschlacht bei Lepanto. Tapferer Bursche. Die Türken brannten ihm mehrere Kugeln in den Pelz, doch er war nicht kleinzukriegen. Wirnannten ihn El manco de Lepanto , 14 weil er nach der ganzen Schießerei nur noch eine Hand hatte. Aber er hörte nicht auf zu schreiben. Mit der anderen natürlich.«
»Er war Stückeschreiber?«
»Soweit ich weiß, waren es eher Novellen, aber eigentlich wollte er einen Roman schreiben.«
»Einen ganzen Roman!«, sagte ich ehrfürchtig.
»Mit einer Hand!«, hob Baldassarre hervor. »Ich wünschte, es gäbe ein Stück über ihn! Und über den unvergesslichen Helden Juan de Austria!« Er blieb stehen und legte die Hand auf seine Brust, während er mit Pathos zu deklamieren begann.
»Kanonen donnern, splitternd brechen Wanten
El Manco stehet aufrecht an der Rah
Bis wir die Türken endlich überrannten
Der letzte Halbmond abgefackelt war …«
Er blickte mich auffordernd an. »Mir fehlt noch die Schlusszeile. Rasch, einen Vers noch!«
»Ihr meint, ich soll …« Ich schluckte und improvisierte.
»Juan de Austria will die Hand ihm reichen
Da sah er, dass nur eine übrig war.«
Eilig fügte ich hinzu: »Die andere wurde ihm ja abgeschossen.«
Baldassarre blinzelte. »Das war … dramatisch. Ein wirklich spannender Auftakt für ein Stück über eine Seeschlacht!«
»Warum schreibt Ihr nicht einfach eines, wenn doch Euer Herz so sehr daran hängt?«
Wehmütig schüttelte Baldassarre den Kopf. »Ich kann es nicht, mein Junge.«
»Ihr könnt nicht schreiben?«
Er lachte, und es war zu sehen, dass er noch fast alle Zähne hatte, die obendrein in passablem Zustand waren. »Das Schreiben im technischen Sinne beherrsche ich leidlich, will sagen, ich kann Worte aneinanderreihen und vergesse oder verdrehe dabei nur wenige Buchstaben. Aber
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