Der König Der Komödianten: Historischer Roman
einem edlen Pferd. Gerüstet wäreich zusätzlich mit Helm und Halsberge, und am Sattel hätte ich außer dem Schwert auch Arkebuse und Armbrust stecken, schließlich brauchte ein Offizier mehr als eine einzige Waffe.
»Zu dem Kostüm gehören natürlich noch ein Hut und ein Schnurrbart«, erläuterte Cipriano. »Was wir aber besser weglassen. Und das Schwert wohl eher auch.«
Sofort war mein Interesse geweckt. Ich trat näher und lugte in die Kiste. »Was für ein Schwert?«
»Das hier.« Grinsend streckte Cipriano mir das lange Holzschwert entgegen, mit dem der alte Baldassarre mich im Wald das Fürchten gelehrt hatte.
Lachend warf ich das Kissen und meinen Wandersack zur Seite, nahm das Schwert und führte in der Luft ein Scheingefecht gegen einen unsichtbaren Angreifer aus, mit vorschriftsmäßigen Paraden, Riposten und Ligaden, genau so, wie ich es bei Onkel Vittore gelernt hatte.
»He«, sagte Cipriano überrascht. »Kannst du etwa fechten?«
»Nur das, was mein Onkel mir beigebracht hat. Mit einem Holzschwert wie dem hier.«
»Hast du viel geübt?«
»Jeden Tag. Onkel Vittore meinte, irgendwann werde es mir nützen.«
»Scheint so, als wäre dein Onkel Vittore ein vorausschauender Mann gewesen. Am Theater nützt es nämlich allemal, fechten zu können.« Cipriano zog die Brauen zusammen, als gingen ihm schwierige Fragen durch den Kopf, und unvermittelt hellte sich seine Miene auf. »Ich glaube, mit dir haben wir viel Glück gehabt, mein Junge.«
In der Kiste sah ich etwas aufblitzen. »Ist das ein Messer?« Ich versuchte, nicht allzu habgierig zu klingen. »Wenn ich schon kein Schwert trage, so wäre doch ein Dolch sehr nützlich. Bis vor ein paar Wochen hatte ich selbst einen. Leider musste ich ihn im Kloster zurücklassen.«
»Oh, du meinst diesen hier?« Cipriano nahm den Dolch ausder Kiste und betrachtete ihn mit umwölkter Miene. »Diesen Dolch aus kostbarem Damaszenerstahl? Mit dem schon ganze Horden mordgieriger Osmanen niedergemetzelt wurden? Ah, könnte ich ihn dir nur überlassen! Dann würde vielleicht dieser Fluch von mir weichen!«
»Welcher Fluch?«, fragte ich, bestürzt wegen der Tränen, die plötzlich in Ciprianos Augen standen.
»Jener Fluch, der mich treibt, mich zu entleiben, wenn ich diesen Dolch in Händen halte!«
»Was redest du denn da?«
Mit einem Klagelaut warf er den Kopf in den Nacken, sodass seine hellen Locken flogen. »So leb denn wohl, du schnöde, kalte Welt! Auf ewig flieh ich deine hohlen Freuden!« Heftig stieß er sich den Dolch in die Brust und brach gurgelnd zu meinen Füßen zusammen.
»O Gott! Cipriano!«, schrie ich. »Was hast du getan!«
Schwach vor Entsetzen kniete ich neben ihm nieder. Mit zitternden Fingern zog ich ihm den Dolch aus der Brust – und schrie abermals auf, weil ich nur das Heft zu fassen bekam, die Klinge aber in seinem Körper stecken geblieben war. »Himmel, nein!«
Cipriano öffnete ein Auge. »Wie war ich?«
»Was …?« Schockiert betrachtete ich die Stelle an seiner Brust, wo eigentlich eine blutige Wunde hätte klaffen müssen, aber nur unversehrter, wenn auch fadenscheiniger Samtstoff zu sehen war. Als ich den Dolch näher betrachtete, bemerkte ich die versenkbare Schneide, die in den Griff gerutscht war.
Cipriano setzte sich auf und grinste. »Ein Bühnenmesser. Du kannst es gerne haben, wenn du willst. Immerhin schindet es Eindruck, jedenfalls mehr als ein Holzschwert.«
Ich wusste nicht, ob ich lachen oder mich ärgern sollte. Diese Schauspieler waren wirklich ein Volk für sich!
»Hab ich dir einen Schrecken eingejagt?«, wollte Cipriano augenzwinkernd wissen.
»Geht so«, sagte ich, entschlossen, mich nie wieder wie eine Memme aufzuführen oder mir sonstige tumbe Empfindsamkeiten anmerken zu lassen. Wenn ich mit dieser Art von Künstlern zurechtkommen wollte, würde ich schnellstmöglich alles lernen müssen, was sie mir voraushatten.
»Da, fang auf.« Cipriano warf mir das Capitano-Kostüm zu und kramte anschließend noch ein paar lederne Schnabelschuhe hervor. »Hier, nimm die noch dazu. Deine klobigen Holzpantinen würden sonst die ganze Wirkung zunichtemachen. Eigentlich gehören hohe Stulpenstiefel zum Capitano, aber die hat nun Claudio.«
Ganz gewiss wollte ich nicht die übliche dumme Frage stellen, aber sie war draußen, bevor ich nachdenken konnte. »Wer ist Claudio?«
Ich erwartete eine Antwort von der Sorte wie Einer von den Zanni oder Einer von den Innamorati , doch Cipriano sagte: »Ein
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