Der König Der Komödianten: Historischer Roman
als hintere Begrenzung und Halterung dienten, verspannt und mit Stricken festgebunden, sodass auf diese Weise ein nach vorn offenes Viereck entstand, vor dem sich die Zuschauer versammeln konnten. Über die erste Plane wurde eine zweite gezogen – die Kulisse für den ersten Akt, die nach dessen Ende einfach herunterzunehmen war. Die Kulissen waren jeweils in den hinteren Ecken mit unauffälligen Einschnitten versehen, durch welche die Darsteller die Bühne betreten oder verlassen konnten.
Bewundernd betrachtete ich nach getaner Arbeit meinWerk. Diese Vorrichtung des Bühnenbaus schien mir so praktisch wie zeitsparend, vor allem die leicht zu wechselnden Kulissen. »Eine gutes Prinzip«, lobte ich. »War das deine Idee?«
»Du meinst, für den Szenenwechsel die Planen übereinander anzubringen? Hm, nein. Das hat Großvater schon in seiner Jugend so gemacht. Ich habe sie bloß bemalt.«
Verblüfft betrachtete ich die Kulissen genauer. Sie waren aus gefirnisstem, steifem Tuch, ähnlich dem, mit dem auch die Fuhrwerke bespannt waren. Auf die Idee, dass jemand anderer als ein Kunstmaler sie verziert haben könnte, wäre ich nie gekommen. Die Plane, die ich zuletzt angebracht hatte, zeigte einen Wald mit täuschend echt aussehenden Bäumen, und die darunterhängende Kulisse bestand aus einer gefälligen Stadtszenerie mit erstaunlicher perspektivischer Tiefe. Das Balg hatte tatsächlich ein gewisses Talent.
»Das hast du recht gut gemacht«, räumte ich widerwillig ein.
»Ich male ja auch schon seit meinem fünften Lebensjahr. Also seit genau hundertdreiundsiebzig Jahren.«
Moment. Eben hatte sie gesagt, sie wäre hundertfünfundachtzig. Wenn man davon hundertdreiundsiebzig abzog, kam man auf zwölf. Also hatte ich doch richtig geraten! Obwohl – nein, sie hatte ja erst mit fünf Jahren angefangen zu malen, die man wiederum hinzuzählen musste, also war sie …
»Siebzehn«, sagte Elena, die mich mit unergründlicher Miene beobachtet hatte.
»Ach so«, sagte ich. Weiter nichts. Mein Bein brannte, und verstohlen rieb ich es, als könnte ich damit zugleich die absurde Situation wegrubbeln.
Nichts schien ihrem scharfen Blick zu entgehen. »Dein Bein macht dir zu schaffen«, stellte sie fest. Ärgerlich schüttelte sie den Kopf, doch ihre Verstimmung richtete sich nicht gegen mich. »Ich hätte daran denken müssen. Es war ja unlängst gebrochen.«
Ich reckte mich. »Ich bin nicht aus Glas, und mit meinem Bein ist alles in Ordnung«, behauptete ich lässig, obwohl ich mich für mein Leben gern niedergesetzt hätte.
»Es kann nicht schaden, wenn du eine Weile im Sitzen arbeitest«, befand Elena. Sie deutete auf einen der beiden Wagen. »Ich muss ohnehin noch die Kostüme prüfen, und bei der Gelegenheit können wir die Requisitenliste zusammen durchgehen.« Sie musterte mich. »Einen Teil davon hast du an, wie ich sehe.«
Unangenehm berührt befingerte ich den Lederharnisch. »Soll ich die Sachen ausziehen?«
»Nun, wenn dir danach ist – warum nicht? Ich habe schon nackte Männer gesehen und bin nicht schamhaft.«
Diesmal konnte sie mich mit ihrer gleichmütigen Miene nicht täuschen. »Du machst dich über mich lustig«, sagte ich säuerlich.
Elena hob die Brauen. »Ich merke schon, das Kostüm ist dir buchstäblich ans Herz gewachsen. Es kleidet dich übrigens vorzüglich, als Capitano würdest du eine gute Figur machen, so viel ist gewiss. Und keine Sorge, du kannst alles anlassen. Es gibt ein zweites Capitano-Kostüm, denn Bernardo hat sein eigenes. Nur den Dolch wirst du vorübergehend zur Verfügung stellen müssen. Bernardo braucht ihn heute Abend, um einen Geist zu erstechen.«
»Ah.« Nach dieser einsilbigen Äußerung, von der ich ahnte, dass sie nicht dazu taugte, meine Unwissenheit zu kaschieren, verfiel ich in Schweigen und behielt es bei, während wir einen der beiden Wagen erklommen und Elena sich an den Sachen zu schaffen machte, die sie vorhin, als ich die Pferde zum Stall geführt hatte, aus den Kisten geholt hatte.
Eine Zeit lang saß ich untätig herum und schaute Elena dabei zu, wie sie Kleidungsstücke aus einem Stoffberg zog, sie prüfend begutachtete, manche davon wieder zurücklegte und andere nach einem System, das ich nicht durchschaute, anHaken hängte, die an den Verstrebungen des Wagendachs angebracht waren. Immerhin das Lelio-Kostüm erkannte ich wieder, ebenso das Nymphengewand, das Caterina im Wald getragen hatte.
Sofort machten meine Gedanken sich selbstständig. Ach,
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