Der König Der Komödianten: Historischer Roman
Handschrift war schlampig und teilweise schlecht zu entziffern. Da und dort waren Flecken zu sehen, die eindeutig von alkoholischen Flüssigkeiten stammten, sodass davon auszugehen war, dass Bernardo hier die Feder geführt hatte.
Die Handlung des Stücks war in Szenenbeschreibungen zusammengefasst und in drei Akte aufgeteilt. Dem ersten Akt war ein Verzeichnis der Darsteller vorangestellt, als da waren:
Pantalone, reicher Kaufmann aus Venedig
Dottore, verarmter Advokat aus Bologna
Capitano, Offizier aus Neapel
Lelio, junger Patrizier aus Venedig
Rosalinda, Tochter des Dottore
Pedrolino, Diener des Pantalone
Colombina, Dienerin von Rosalinda
Sofort fiel mir auf, dass das sieben Figuren waren, für die nur sechs Darsteller zur Verfügung standen. Hinzu kam, dass es in dem Stück zwei Frauenrollen, jedoch fünf Männerrollen gab, obwohl die Truppe aus drei Frauen und drei Männern bestand.
Während ich über dieses Dilemma nachsann, wuchs meine Müdigkeit. Die Sonne schien angenehm warm durch die Plane und verstärkte mein Bedürfnis, mich auszuruhen. Einlullend wirkten auch die Geräusche von der Piazza, die sich nach und nach zu einem wohltuend gleichförmigen Summen verdichteten.
Nur mit Mühe konnte ich mich auf den Anfang des Stücks konzentrieren. Der erste Akt war übertitelt mit der Zeile Wald – Nacht .
»Der Advokat, genannt Il Dottore, irrt mit seiner Tochter Rosalinda und deren Dienerin Colombina durch den nächtlichen Wald, nachdem sie auf ihrer Reise nach Venedig von Wegelagerern überfallen und all ihrer Habe beraubt worden sind«, las ich murmelnd. »Der Dottore versucht, sich tapfer und überlegen zu geben, zeigt durch sein Verhalten (Lazzi) aber, dass er viel ängstlicher ist als die Mädchen. Seine Furcht eskaliert, als ein Geist auftaucht. Der Dottore und die Seinen verstecken sich vor der Bedrohung im Gebüsch.«
Die Bezeichnung ›Lazzi‹ bedeutete offenbar eine Art Spielanleitung. Ich würde bei der heutigen Vorstellung darauf achten, was damit gemeint war.
»Es folgt der Auftritt des Kaufmanns Pantalone, seines Dieners Pedrolino und des Capitano, allesamt ebenfalls unterwegs nach Venedig. Der Dottore kommt aus dem Versteck gestürzt, macht die Wanderer auf den Geist aufmerksam und erfleht ihre Hilfe. Pantalone, Pedrolino und der Capitano streiten nun, wer gegen den Geist kämpfen soll. Jeder der drei will unbedingt den anderen den Vortritt lassen (Lazzi). Von Pedrolino nach vorn geschubst, wirft sich endlich notgedrungen der Capitano auf den Geist, ersticht ihn mit Schwert und Messer und erschießt ihn mit seiner Muskete, was auf alle Anwesenden höchsten Eindruck macht. Man stellt einander vor, teilt den mitgeführten Proviant und tauscht Komplimente aus. Alle setzen anschließend gemeinsam ihren Weg fort und gehen ab.«
Ich gähnte herzhaft und las weiter, in der Hoffnung, mich damit wachzuhalten, doch beim Lesen fielen mir immer wieder die Augen zu.
»Nun tritt der junge Lelio auf, der sein weißes Hemd sucht, das an einem Ast zum Trocknen aufgehängt war. Vor einem Unwetter hatte er Schutz in einer nahen Höhle gefunden undwar durch Stimmen aufgewacht, doch es ist niemand zu sehen. Sein Hemd liegt durchlöchert und schmutzig auf dem Waldboden. Befremdet beklagt er die Zerstörung seines Eigentums. Anschließend singt er (mit Laute) ein Lied und geht ab.«
Aha. Der Geist war in Wahrheit ein Hemd. Und Lelio war bestimmt Cipriano. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er eine schöne Singstimme hatte und sich gut aufs Lautenspiel verstand, das passte zu ihm.
»Es folgt ein Auftritt Rosalindas, die zurückkommt, weil sie ihren Beutel vergessen hat. Sie hat den vermeintlichen Geist singen gehört und sich auf der Stelle in die herrliche Stimme verliebt.«
Mein Murmeln verklang im rosigen Zwielicht des Wagens, und stumm überflog ich den Rest des ersten Aktes.
Sowohl der reiche Kaufmann Pantalone als auch der Offizier Capitano verlieben sich auf Anhieb in die schöne Rosalinda (ich konnte es ihnen nicht verdenken), und sogleich beginnen beide, um die Gunst der jungen Frau zu wetteifern.
Der Dottore, durch den Raubüberfall besitzlos, wittert Morgenluft. Er will seine Tochter gewinnbringend verschachern und führt abwechselnd mit beiden Bewerbern und jeweils hinter deren Rücken Heiratsverhandlungen.
Alsdann schwärmt der Capitano Pantalone von seiner schönen jungen Braut vor, während dieser besagte Schwärmerei mit Lobpreisungen über seine eigene künftige Frau zu
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