Der König Der Komödianten: Historischer Roman
die Pferde verfüttert.« Sie blickte auf. »Das Messer hast du.«
Ich hatte es bereits vom Gürtel genestelt und reichte es ihr, während ich weiterlas.
»Begrüßungsgewänder für alle.«
»Die sind in einer Kiste auf dem anderen Wagen, die habe ich vorhin schon durchgesehen. Lies weiter.«
»Gewänder, Masken, Schuhe, Handschuhe, Kopfbedeckungen für Dottore, Pantalone, Capitano, Pedrolino, Colombina.«
Ausgedehntes Rascheln, während Elena die bereitsaufgehängten Kostüme und andere Gegenstände prüfte, dann sagte sie: »Alles da.«
»Was sind das für Figuren?«, fragte ich neugierig. »Dein Großvater erzählte mir heute, dass es Vecchi, Zanni und Innamorati gibt. Wer ist hier wer?«
»Dottore und Pantalone sind die Vecchi, also die Alten. Dottore ist ein besserwisserischer, aufgeblasener Notar aus Bologna. Er trägt einen schwarzen Hut, einen schwarzen Talar mit weißer Halskrause und dazu das hier.« Sie hielt sich eine Halbmaske vors Gesicht, und ich musste lachen beim Anblick der prallen, weinroten Wangen, des dichten dunklen Schnurrbarts und der dicken Nase mit der Warze daran.
Elena legte die Maske wieder weg und präsentierte eine andere, mit langer dürrer Nase, knochigen Wangen und einem grauen Spitzbart. »Der hier ist Pantalone, ein nörglerischer und geiziger Kaufmann aus Venedig. Er trägt einen roten Gehrock, rote Strumpfhosen, eine rote Mütze und einen schwarzen Überwurf.«
»Und der Capitano? Das Kostüm kenne ich ja schon, aber was ist er für ein Charakter? Zu welcher Gruppe gehört er? Zu den Vecchi, den Zanni oder den Innamorati?«
»Eigentlich ist er eine Rolle für sich. Ein schwer bewaffneter, säbelrasselnder Aufschneider, der so tut, als wäre er ein tapferer Krieger und Liebling der Frauen, der aber im Grunde weniger Schneid hat als eine Maus.«
»Äh … Ach so.« Rasch las ich weiter. »Gewänder für Lelio und Rosalinda. Das sind dann wohl die Innamorati, oder?«
»Ganz recht. Sie sind kostümiert, tragen aber keine Masken. Sie sind einfach jung und schön, so wie die Natur sie geschaffen hat.«
»Dann spielt Caterina die Rosalinda«, sagte ich impulsiv.
»Da das offensichtlich keine Frage ist, sondern eine Feststellung, erwartest du gewiss keine Antwort.« Mit zusammengepressten Lippen wühlte Elena in den Requisiten herum.
Irritiert überlegte ich, womit ich nun schon wieder ihren Unwillen erregt hatte. Egal, was ich sagte, sie schien immer ein Haar in der Suppe zu finden, und ich durfte dann raten, welches.
Gleichwohl versuchte ich, einzulenken. »Pedrolino und Colombina sind demnach die Zanni, oder? Ein Diener und eine Dienerin.«
»Das hast du gut durchschaut«, sagte sie knapp. Sie erhob sich aus ihrer knienden Haltung. »Ich gehe Brot für den Requisitenkorb besorgen.«
»Nur altes oder vielleicht auch frisches?« Soeben war mir aufgefallen, dass ich schon wieder Hunger hatte, und zwar gewaltigen. Genau genommen kam es mir sogar so vor, als hätte ich seit Tagen nichts gegessen. Der Kohl hatte nicht lange vorgehalten.
»Ich muss nehmen, was ich kriegen kann, ob alt oder frisch, aber ich verspreche dir, dass ich dir ein Stück davon abgebe.« Das klang wieder versöhnlicher, was mich auf unbestimmte Weise erleichterte. Sie reichte mir einen schmalen Folianten. »Hier, das ist das Canovaccio für das Stück, das wir heute geben.«
»Was soll ich damit tun?«
»Es lesen und verinnerlichen, damit du bald dein eigenes Können zum Einsatz bringen kannst.«
»Als Schauspieler?« In gelindem Entsetzen blickte ich zu ihr hoch.
»Nicht doch. Als Bernardos dramaturgischer Assistent.« Sonnenstrahlen drangen durch die bunte Plane des Wagendachs und ließen ihr wirres Haar in unterschiedlichen Rottönen aufleuchten. Doch nicht das war es, was sie mit einem Mal völlig verändert aussehen ließ, sondern ihr Lächeln. »Oder wärst du lieber Schauspieler?« In ihren Augen blitzten grüne Irrlichter auf.
»Vielleicht«, behauptete ich wider besseres Wissen.
Ihr Lächeln wurde breiter, bis sich in beiden Wangen Grübchen zeigten. »Marco, ich bin davon überzeugt, dass du der schlechteste Schauspieler der Welt bist.« Sie kicherte, während sie vom Wagen kletterte. »Das ist kein Grund, beleidigt zu sein, glaub mir.«
Ich war es trotzdem und wusste es daher zu schätzen, dass sie verschwand und ich endlich allein war. Dieses Mädchen, ob zwölf oder siebzehn, war mir schlicht zu sprunghaft.
Ohne besonderen Enthusiasmus klappte ich den Folianten auf. Die
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