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Der König Der Komödianten: Historischer Roman

Titel: Der König Der Komödianten: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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schoben sie auf den Wagen. Elena klappte sie auf und prüfte den Inhalt, dann sagte sie zu mir: »Du kannst schon die Pferde anschirren, eines vor jeden Wagen, wir fahren gleich zur Piazza und bauen die Bühne auf. Ich erkläre dir dann anOrt und Stelle alles, was du heute Abend während der Vorstellung zu tun hast.«
    Ich nickte und verschwand im Stall, froh, eine Aufgabe verrichten zu können, bei der ich mich sicherer fühlte als bei den beunruhigenden Verpflichtungen, die ich bisher im Zusammenhang mit dem Theater kennengelernt hatte.
    Der tröstliche Geruch nach Stallmist und warmen Pferdeleibern umfing mich und vertrieb für kurze Zeit alle trüben Gedanken, doch als ich mich daranmachte, die Pferde anzuspannen, packte mich unvermittelt die Sehnsucht nach zu Hause. Wie oft hatte ich als kleiner Junge zusammen mit Onkel Vittore und Ernesto das Anspannen oder das Satteln geübt, hatte all die Jahre gemeinsam mit ihnen die Pferde und Maultiere gestriegelt und gefüttert oder den Stall ausgemistet. Das fehlte mir mit einem Mal so sehr, dass es mir die Tränen in die Augen trieb und ich heftig schlucken musste, um nicht wie ein Kind zu heulen. Wie sehr vermisste ich mein altes gemütliches Zimmer, wo ich stundenlang für mich allein sein konnte! Mir fehlten auch unsere geliebten Bücher, die vom vielen Lesen und Blättern schon ganz zerfleddert waren. Ich sehnte mich nach den regelmäßigen, reichhaltigen und wohlschmeckenden Mahlzeiten, die Paulina uns auftischte, nach den kleinen Leckereien, die sie mir zwischendurch immer zugesteckt und anschließend liebevoll mein Haar zerzaust hatte.
    Am meisten aber fehlte mir Onkel Vittore, mit seinem verschmitzten Lächeln und seiner bedächtigen Art, mir Dinge zu erklären. Auf einmal meinte ich, ihn vor mir stehen zu sehen, den Kopf zur Seite geneigt und versunken in die Ferne blickend, eine der für ihn typischen Bemerkungen auf den Lippen, etwa: »Weit und breit kein einziges mickriges Haus hier, geschweige denn ein Kanal oder eine Gondel. Bloß lauter Hügel und Bäume. Aber dafür immer gute Luft. Wir hätten es auch schlechter treffen können, was, Marco?«
    Er hatte so recht gehabt! Warum hatte ich unbedingt in dieFremde ziehen wollen? Wo konnte es schöner sein als zu Hause?!
    Mit einem Mal fühlte ich mich so verloren wie noch nie zuvor in meinem Leben. Trostlos legte ich meine Stirn an den Pferdehals vor mir und versank in meinem Elend.
    »Willst du das Pferd abküssen oder deine Arbeit tun?«, kam es von der Stalltür. Elena stand dort, die Hände in die Hüften gestemmt und einen spöttischen Ausdruck im Gesicht.
    Ich tat einfach so, als hätte ich sie nicht gehört. Nacheinander führte ich die Pferde zu den Wagen. Meine Trübsal war unterdessen handfestem Ärger gewichen. Mit diesem Balg würde ich noch ein ernstes Wort reden müssen! Dass sie unter der fragwürdigen Aufsicht eines Großvaters wie Baldassarre keine ausreichende Erziehung erfuhr, lag auf der Hand, aber es war auf Dauer keinesfalls hinzunehmen, welchen Tonfall sie sich anmaßte.
    »Kannst du ein Gespann lenken?«, fragte Elena mich.
    Ich nickte mürrisch, worauf sie fortfuhr: »Dann wirst du das eine Fuhrwerk zur Piazza kutschieren und ich das andere. Wir fangen dann dort schon mit dem Aufbau an.«
    Ich blickte mich um. »Wo ist Cipriano?«
    »Er muss sich um Großvater kümmern«, sagte sie knapp. Sie erklomm einen der beiden Wagen und hieß mich vom Kutschbock aus, ihr nachzufahren.
    Es war keine große Sache, die Aufgabe auszuführen, denn das Zugpferd war kräftig und folgsam und hatte überdies nicht viel mehr zu tun, als hinter dem bunten Wagen herzutrotten, den Elena lenkte.
    Auf der großen Piazza, wo ich am Morgen Cipriano getroffen hatte, waren die Marktstände abgebaut worden. Vor den Arkaden des Gebäudes, das die Piazza mit seinen enormen Ausmaßen dominierte, hielt Elena an und befahl mir, den zweiten Wagen in einem bestimmten Abstand zum ersten abzustellen.
    Auf ihr Geheiß schirrte ich sodann die Pferde ab und führte sie am Zügel zurück zum Stall. Als ich zurückkehrte, sah ich bereits von Weitem, wie sie versuchte, Kisten übereinanderzustapeln. Es war unschwer zu erkennen, dass das ihre Kräfte überstieg, denn ihr Schimpfen war sogar aus der Ferne gut zu hören. Gleichzeitig riss sie sich die Haube vom Kopf und trampelte darauf herum. Ein paar Kinder kamen angelaufen und blieben stehen, um Elena zu verhöhnen, unter ihnen drei oder vier halbwüchsige Knaben, die hämisch

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