Der König Der Komödianten: Historischer Roman
leiden, weder Volk noch Klerus. Als Bösewichte sind sie nachgerade perfekt.« Nachdenklich furchte er die Stirn. »Vielleicht aber auch zu abgedroschen. Hm. Was wäre glaubwürdiger?«
Ich dachte nach. »Vielleicht ein konkurrierender Kriegskamerad. Jemand, der nicht verwinden kann, dass der junge Schützling Don Juans einen höheren Offiziersrang genießt.«
»Gefällt mir besser als der Politiker«, erklärte Bernardo. »Lass uns überlegen, was der Bösewicht tut, um Unfrieden zu stiften.«
»Er könnte falsche Beweise anbringen. Solche, die darauf deuten, dass die Ehefrau untreu ist und Don Juan mit dem Adjutanten betrügt. Don Juan fällt darauf herein, und die rasende Eifersucht treibt ihn zum Äußersten.«
»Was wäre denn das Äußerste?«, fragte Bernardo. Sein Blick war auf seltsame Weise abwägend, als wollte er mich auf die Probe stellen.
»Er tötet jemanden«, sagte ich vorsichtig.
»Selbstverständlich tut er das, sonst wäre es ja keine Tragödie.« Bernardo lächelte und sah plötzlich aus wie ein Raubtier. »Schreib es auf.«
»Äh … sollten wir nicht zuvor festlegen, wen er tötet?«
Bernardo schloss die Augen. »Das will sorgfältig bedacht sein. Zudem kommt das Töten erst am Ende – es muss der Höhepunkt des Stücks sein. Für heute Morgen haben wir genug geleistet. Der gesammelte Stoff reicht gut und gerne für den kompletten ersten Akt. Außerdem brauchen wir noch ein paar zusätzliche Charaktere, die wiederum eigene Konflikte benötigen. Und Verwicklungen. Verwicklungen sind unverzichtbar. Über all das muss ich eine Weile gründlich nachdenken.«
Danach sagte er nichts mehr, und nur wenige Atemzüge später war an seinem Schnarchen zu erkennen, dass er eingeschlafen war.
Fasziniert von der Handlungsidee, machte ich mir Gedanken über den Fortgang des Stücks, doch immer dann, wenn die Frage darauf kam, wen der Held am Ende töten sollte, lösten sich meine Phantasien in Beklemmung auf.
Gut gefallen hätte es mir, wenn Don Juan sich einsichtsvoll selbst entleibte, zumal das seiner Witwe eine ehrbare Verbindung zu dem jungen Adjutanten ermöglicht hätte, doch das Dahinscheiden lediglich eines einzigen Darstellers reichte für eine ordentliche Tragödie nicht. Je mehr am Ende starben, desto besser, abgesehen von den Nebenfiguren, denn die waren nötig, um die Toten aufzubahren, zu betrauern und zu besingen.
Um dem Problem auszuweichen und mich zugleich einer anderen Aufgabe zu entledigen, brachte ich eine hinreichende Anzahl von Versen für das Ehejubiläum der Herbergsleute zu Papier.
Danach gab es für mich keinen Grund mehr, länger in der Kammer herumzuhocken, zumal ich mir dabei wie ein Feigling vorkam. Ich war ein unerschrockener Mann und konnte mich verteidigen! Hatte ich es nicht bei dem Messerstecher Aldo bewiesen? Sollten die Attentäter doch kommen, ich würde es schon mit ihnen aufnehmen!
Dennoch wurde mir mulmig, als ich die Nase aus dem Fenster schob, um die Lage zu erkunden. Draußen war außer ein paar lärmenden Kindern niemand zu sehen, also rang ich mich dazu durch, nach unten zu gehen. Die Herbergswirtin, die gemeinsam mit ihren Mägden und Franceschina mitten in der Küchenarbeit steckte, nahm erwartungsfroh das Blatt mit den Versen an sich und drückte mir im Gegenzug ein großes Stück Kuchen in die Hand. Zu meiner Erleichterung hatte sie keine Zeit, sich den Rest meines Jubiläumswerks anzuhören, da in diesem Moment eine Lieferung von Bierfässern eintraf, um deren Entgegennahme sie sich kümmern musste.
»Wie lief es mit dem neuen Stück?«, wollte Franceschina wissen.
»Der erste Akt ist so gut wie fertig.«
»Wirklich?« Sie schien es nicht glauben zu wollen.
»Es fehlen noch ein paar Nebenfiguren undVerwicklungen«, räumte ich ein. »Aber die Grundidee und den groben Handlungsfaden haben wir schon.«
»Du bist ein guter Junge!« Sie strich mir über den Kopf und reichte mir ein Stück Salami.
In der einen Hand die Wurst und in der anderen den Kuchen, atmete ich tief durch und beschloss, der Gefahr, so sie denn auf mich lauerte, mutig entgegenzutreten. Ich ging auf direktem Wege in den Stall. Dort hielt sich aber, abgesehen von den Pferden und Maultieren, nur der Stallknecht auf.
Im Schankraum, wohin mich mein Weg als Nächstes führte, fanden sich dagegen eine Reihe mir unbekannter Gäste. Unauffällig blickte ich in die Runde, doch niemand schien mir besondere Aufmerksamkeit zu widmen, auch nicht der Zwerg, der allein an einem der
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