Der König der Lügen
mich zu enterben?«
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Das hat Mills gesagt.«
Hambly lächelte schmal, und ein Schimmern trat in seine Augen. »Wenn Mills Ihnen das erzählt hat, hatte sie ihre eigenen Gründe dafür. Jawohl, Ihr Vater hat ein paar geringfügige Änderungen in Betracht gezogen, aber er hatte niemals die Absicht, Sie als Begünstigten zu streichen. In diesem Punkt war er ganz entschieden. Ich nehme an, Mills wollte Sie zu irgendwelchen Indiskretionen verleiten.«
»Was für Änderungen waren das?«
»Nichts von Bedeutung, und nichts davon ist verwirklicht worden. Ergo: Nichts davon betrifft Sie als Haupterben seines Vermögens.«
»Wo befindet sich Ihr Original?«
»Beim Nachlassgericht. Ich bin sicher, dass man es Ihnen dort zeigen wird, wenn Sie danach fragen.«
»Aber Sie haben Kopien davon gemacht.«
»Selbstverständlich habe ich Kopien gemacht. Dies ist eine Anwaltskanzlei. Ich bin der Testamentsvollstrecker.«
»Wem haben Sie Kopien gegeben? Mills? Douglas? Wem noch?«
»Heben Sie nicht Ihre Stimme gegen mich, junger Mann. Das erlaube ich nicht.«
»Dann will ich es anders versuchen, Clarence. Wenn ich wegen Mordes an Ezra verurteilt werde, kann ich dann nach den Gesetzen von North Carolina sein Erbe antreten?«
»Der Staat erlaubt nicht, dass ein Mörder auf diese Weise von seiner Tat profitiert. Das wissen Sie.«
»Wer behält dann die Kontrolle über Ezras Vermögen?«
»Was wollen Sie damit andeuten?« , fragte Hambly empört.
»Wer?«
»Das gesamte Vermögen Ihres Vaters geht an die Stiftung.«
»Und wer leitet diese Stiftung?«
»Ihre Unterstellungen passen mir nicht!«
»Sie hätten dann die Kontrolle über die gesamten vierzig Millionen Dollar. Ist das nicht so?«
Hambly starrte mich an, und sein Gesicht war starr von kaum gezügelter Wut. »Sie und Ihre kleinkarierten Winkelzüge sind mir unerträglich, Work. Verlassen Sie meine Kanzlei.«
»Sie sind in meinem Haus gewesen. Zum ersten Mal, seit ich es gekauft habe, sind Sie in meinem Haus gewesen. Warum?«
»Ich war dort, weil Barbara mich eingeladen hatte. Und weil der Respekt es gebot. Das sollte ich Ihnen nicht erklären müssen. Und jetzt verschwinden Sie.« Er nahm meinen Arm. Vor der Tür, vor den Augen der hübschen jungen Assistentin, die plötzlich aufgesprungen war, riss ich mich los.
»Jemand hat mir dieses Dokument zu Hause untergeschoben, Clarence. Irgendwoher muss es gekommen sein.«
Hambly richtete sich zu voller Größe auf und schaute an seiner Nase entlang auf mich herunter. Ich sah die Röte in seinem Gesicht und das Pulsieren der großen Arterien an seinem Hals. »Noch heute Morgen hatte ich ein bisschen Mitleid mit Ihnen, Work. Aber damit ist es vorbei. Ich freue mich auf Ihren Prozess.« Mit einem dünnen Arm deutete er auf die Treppe, und ich sah, dass er zitterte. »Jetzt gehen Sie bitte.«
»Also schön, Clarence. Vielen Dank für Ihre Zeit.« Ich ging über seine private Treppe hinunter, ohne mich umzusehen. Hinter mir schlug die Tür zu.
Hank saß im Wagen. Sein Ellbogen lag auf der Kante des offenen Fensters.
»Wie ist es gelaufen?«, fragte er.
»Ich weiß nicht.«
»Wirklich nicht?«
Ich sah ihn an. »Wirklich nicht.«
»Und wohin jetzt?«
»Highway sechshunderteins, Richtung Mocksville. Ich sage Ihnen, wann Sie abbiegen müssen.«
Wir fuhren zur Stadt hinaus, und als wir uns der Stolen Farm näherten, spürte ich, wie sich die Spiralfeder in mir straffer spannte. Mein Kopf war schwer von dicht gedrängten Gefühlen, und er wurde schwerer, als wir vor Vanessas Haus anhielten.
Ich stieg aus und beugte mich zu Hanks geöffnetem Fenster hinunter. »Warten Sie hier.«
»Herrgott, Work.«
Ich hob die Hände, wandte die Handflächen nach vorn.« Das letzte Mal«, sagte ich.
Die Stolen Farm lag im Schatten des benachbarten Waldstücks. Das Licht griff mit dünnen Fingern nach dem Haus, ohne es zu erreichen; es gab sich mit der verblichenen roten Wand der Scheune zufrieden. Wir hatten in der ausgefahrenen Zufahrt geparkt, das Haus zur Linken, die Scheune zur Rechten. Vanessas Wagen sah ich nicht, aber ihr namenloser Mann war da. Er stand in dem von schwebenden Stäubchen erfüllten Tor, das in der Mitte der Scheune klaffte. Hätte ich hochgeschaut, hätte ich die Luke zum Heuboden gesehen, wo Vanessa und ich gefunden hatten, was — wie wir glaubten — ewig dauern würde. Ich schaute nicht hoch. Ich schaute ihren Mann an. Er hatte am Traktor gearbeitet. Schwarzes Öl bedeckte
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