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Der König der Lügen

Der König der Lügen

Titel: Der König der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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haben gesagt, du hast mir das Leben gerettet.« Der Satz war völlig frei von jedem emotionalen Kontext.
    Sie haben gesagt, dein Auto ist blau. Ungefähr so.
    Beinahe hätte ich gelogen. Sie sollte mich nicht hassen für das, was ich getan hatte. »Das kann sein«, sagte ich.
    »Sogar Alex sagt es. Sie sagt, du hast mich gefunden und mir die Arme abgebunden. Sie sagt, eine Minute später, und ich wäre gestorben.«
    Ich schaute auf meine Finger und dachte daran, wie glitschig ihr Blut sich angefühlt und wie heftig ich diese Finger in ihren Hals gebohrt und nach einem Puls gesucht hatte. »Du hast mich angerufen«, sagte ich. »Ich bin gekommen.«
    »Das war das dritte Mal«, fuhr sie fort. Ich spürte, dass sie sich bewegte, und blickte gerade noch rechtzeitig auf, um zu sehen, wie sie das Gesicht zur Seite drehte. »Du musst mich hassen«, sagte sie.
    »Nein.« Ich legte meine Hand auf ihren Arm und drehte sie um, damit ich ihr Gesicht sehen konnte. »Niemals, Jean. Denk das nicht. Ich könnte dich niemals hassen.« Ich drückte ihre Schulter und sagte die Worte, die mir leicht über die Lippen hätten kommen sollen und es nie getan hatten. »Du bist meine Schwester. Und ich liebe dich.«
    Jetzt war sie es, die nickte. Sie tat es krampfhaft und ruckartig. Die Lider senkten sich wie Vorhänge über ihre Augen, Tränen sammelten sich auf ihren ausgemergelten Wangen, bevor sie in zwei langen, heißen Bogen über ihr Gesicht herunterliefen. Sie wischte sie mit einem Arm weg, rieb sie weg mit dem dicken Verband an ihrem Handgelenk. Sie öffnete den Mund zum Sprechen, schloss ihn wieder, und ihre Worte blieben ungesagt. Stattdessen nickte sie weiter. Aber ich verstand. Worte waren schwer. So waren wir erzogen.
    Brauchst du etwas?, wollte ich sie fragen. Wasser? Noch ein Kissen? All das wollte ich fragen, aber ich tat es nicht. Es gab eine größere Frage, eine bedrohliche, die nicht mehr warten konnte. Ich musste es wissen. Ich konnte erst zu Mills gehen, wenn ich es aus Jeans Mund gehört hatte.
    »Hast du es getan?«, fragte ich.
    Jean sah mich entsetzt an.
    »Was?« Es war fast ein Stöhnen, und ihre Tränen flossen schneller, aber ich konnte nicht aufhören. Bei allem, was ich in der vergangenen Woche getan hatte, war ich von der Annahme ausgegangen, dass Jean die Schüsse abgefeuert hatte. Für diese Annahme war ich ins Gefängnis gekommen, und für sie drohte mir jetzt lebenslange Haft.
    »Hast du ihn umgebracht?«, wiederholte ich. »Hast du Ezra umgebracht?«
    Jeans Mund öffnete sich weit und fiel dann zusammen. »Ich dachte, du hättest es getan«, sagte sie. Es war ihre Kinderstimme, und sie klang so verletzlich, dass ich die Wahrheit sah. Sie hatte wirklich geglaubt, ich hätte es getan.
    »Hat Alex das gesagt? Glaubst du es deshalb? Weil sie gesagt hat, ich hätte es getan?«
    Jean schüttelte den Kopf. Die Haare fielen ihr über die Au gen und blieben auf ihrer Stirn liegen. Sie hatte sich die Decke bis unter das Kinn hochgezogen. Ihr Blick war voller Verwirrung.
    »Du hast es getan, Work. Du musstest es getan haben.«
    »Ich dachte, du hättest es getan«, sagte ich, und Jean zuckte, als wären meine Worte Gewehrkugeln gewesen. Sie riss die Augen auf und wühlte sich tiefer in den Berg der Kissen hinter ihr.
    »Nein.« Wieder schüttelte sie den Kopf. »Du musstest es gewesen sein. Du musstest.«
    »Warum?« Ich beugte mich weiter über sie. »Warum ich?«
    »Weil ...« Ihre Stimme brach. Sie versuchte es noch einmal. »Weil...«
    Ich führte ihren Gedanken zu Ende. »Weil — wenn du es nicht warst, und wenn ich es nicht war, dann muss es Alex gewesen sein. Wolltest du das sagen?«
    Jetzt drehte sie sich wirklich weg; sie rollte sich zusammen wie ein Fötus, als hätte sie Angst, ich könnte sie treten, und in diesem Moment war ich ratlos. Jean hatte es nicht getan. Hätte ich die Wahrheit über Alex nicht gewusst, hätte ich diese Tatsache nicht akzeptiert.
    Ich war so verdammt sicher gewesen.
    »Es gibt da ein paar Dinge über Alex, Jean. Ein paar Dinge, die du vielleicht nicht weißt.« Ich musste sie aus ihrer Willfährigkeit reißen und sie zwingen, die Wahrheit zu akzeptieren.
    Sie sprach über den Abgrund hinweg, den ich zwischen uns aufgerissen hatte. »Ich weiß alles über Alex, was es zu wissen gibt, Work. Du kannst mir nichts mehr erzählen.«
    »Weißt du, dass das nicht ihr richtiger Name ist?«
    »Tu das nicht, Work. Versuche nicht, dich zwischen mich und Alex zu drängen.«
    »Hast du es

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